Die Einsamkeit der Babymutter – ein Leserbrief

Wer mir schon länger folgt, weiß, dass ich kein Fan von übermäßigen Förderangeboten für Kinder bin und stattdessen immer wieder fürs freie Spielen plädiere. Auch in meinem Buch „Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein“ schreibe ich darüber, dass wir häufiger Fünfe grade sein lassen sollten – und konsequent überflüssige Veranstaltungen streichen sollten, um mehr Zeit zu gewinnen. Für uns, für die Kinder. Nun bekam ich letztens eine Email von einer Mutter, die meine Gedanken schön und gut fand – aber auch deutlich machte, dass sie mit ihrem Baby nicht zum Pekip und zum Baby-Musikgarten geht, um es zu fördern, sondern um der Einsamkeit zuhause zu entfliehen. Ich erinnerte mich an mein erstes Kind und verstand, was sie meinte. So ein Tag mit Baby kann manchmal ganz schön lang sein. Und gerade, wenn man im Freundeskreis zu den ersten mit Kind gehört, wird es manchmal ganz schön einsam. Da ich es wichtig finde, auch darüber einmal zu schreiben, bat ich darum, die Email auf dem Blog zu veröffentlichen. Und freue mich, dass ich es darf – anonym, aber ehrlich.


„Liebe Nathalie,

ich mag Deinen Blog und ich mag Dein Buch. Deine Texte haben mir schon so manche Stillpause versüßt und ich erkenne mich in vielem wieder. Du bringst mich immer wieder zum Lachen, manchmal bin ich auch gerührt. Aber über eine Sache habe ich mich etwas geärgert: Du schreibst immer wieder darüber, dass Du nichts von Förderangeboten hältst und dass Mütter nicht zu viel machen sollten mit ihren Kindern. Wenn man mehrere Kinder hat, kann ich das nachvollziehen, denn ich stelle es mir wirklich stressig vor, meine Kinder ständig irgendwohin zu fahren und dann eine Stunde zu warten, bis das Fußballtraining zu Ende ist. Aber ich möchte auch daran erinnern, dass es gerade für Mütter von Babys die einzige Möglichkeit ist, mal rauszukommen, mit anderen Müttern zu sprechen und überhaupt andere Mütter kennenzulernen!

Ich bin 27, meine Tochter ist sieben Monate alt. Ich bin die erste, die Kinder bekommen hat, alle meine Freundinnen haben das noch nicht einmal geplant. Ich kannte keine anderen Mütter. Und hatte niemandem zum Reden. Das ist auch ein Grund, weshalb ich angefangen habe, Deinen Blog zu lesen, denn er hat mir geholfen zu sehen, dass es nicht nur mir so geht. Ich brauche aber trotzdem echte Mütter, mit denen ich reden kann. Freundinnen mit Kindern. Denn so ein Tag mit Baby ist ganz schön lang. Mein Mann kommt abends erst gegen sieben nach Hause. Bis dahin muss ich alles alleine machen. Je älter meine Tochter wird, umso weniger schläft sie. Und umso mehr Unterhaltung will sie.

Ich kuschel gerne mit ihr. Ich spiele auch gerne mit ihr. Aber doch nicht zwölf Stunden lang! Ich werde verrückt dabei. Ich weiß nicht, wie andere Mütter das machen, aber ich finde es irgendwann einfach nur noch langweilig, ihr Rasseln hinzuhalten oder Knistertücher. Ich werde verrückt, wenn ich den ganzen Tag nur ein Baby habe, mit dem ich sprechen kann. Ich freue mich, wenn ich beim Einkaufen drei Sätze mit der Kassiererin reden kann, endlich mal mit einem Erwachsenen reden, der antwortet. Mein Mann ist abends meistens zu müde, um viel zu reden. Und meine Eltern wohnen zu weit weg, um mir zu helfen.

Und damit ich mal mit anderen rede, damit ich selbst Unterhaltung habe, mir nicht die ganze Zeit neue Spielchen ausdenken muss, deshalb gehe ich dreimal die Woche zu Babykursen. Ich gehe zum Babyturnen, zur musikalischen Früherziehung und zum Babyschwimmen. Ich weiß, das ist viel. Und manchmal ist es auch stressig, pünktlich dort zu sein. Aber wenn ich dort bin, bin ich froh. Denn dann bin ich nicht mehr alleine. Dann kann ich mit anderen reden. Und meinem Baby gefällt es! Mit einigen der Mütter sind schon sowas wie Freundschaften entstanden, wir gehen danach oft noch spazieren oder einen Kaffee trinken. Und ich merke, dass es anderen genauso geht. Die Babykurse sind für mich die einzige Möglichkeit, aus dieser Einsamkeit zuhause rauszukommen. Ohne das Rauskommen würde ich verrückt werden, ich fühle mich manchmal so abgekapselt von der Außenwelt, so alleine.

Ich glaube, wenn ich wieder arbeite, wird es besser werden. Und dann werde ich an Deinen Tipp denken, nicht zu viel an den Nachmittagen zu machen. Aber bis dahin brauche ich diese Kurse, um nicht durchzudrehen vor Einsamkeit. Die Zeit vergeht manchmal so unglaublich langsam und jeder Tag ist wie der andere – und die Kurse die einzigen Lichtblicke.

Das wollte ich Dir nur einmal schreiben, weil Du so gegen Förderkurse bist. Ich will meine Tochter gar nicht besonders fördern und bin auch bestimmt keine dieser ehrgeizigen Mütter. Ich hoffe es wird besser, wenn meine Tochter größer ist und vielleicht auch ein Geschwisterchen hat. Deine Texte machen auf jeden Fall Mut und ich mag es sehr, dass Du alles mit Humor nimmst und so ehrlich über das Mamasein schreibst! Mach‘ auf jeden Fall weiter so!“

Brief einer Baby Mütter über die Einsamkeit als Babymutter

Ich kann diese Mutter voll und ganz verstehen. Denn mir ging es auch so, als ich meinen ersten Sohn bekam und hereinkatapultiert wurde in eine Parallelwelt, auf die ich trotz aller Ratgeber einfach nicht vorbereitet war.

Ich habe tatsächlich beim ersten Kind auch mehrere Kurse belegt – Pekip, musikalische Früherziehung und sogar das Babyschwimmen habe ich versucht (wieso es bei einem einmaligen Versuch geblieben ist, habe ich hier mal aufgeschrieben). Aus genau den Gründen, die Du aufzählst: Ich wollte nicht den ganzen Tag zuhause sitzen und auf das Highlight den täglichen Spaziergang warten und ich wollte andere Mütter kennenlernen. Und aus diesen Kursen sind tatsächlich Freundschaften entstanden, die auch heute noch halten – sowohl für die Kinder als auch für mich. Ich kann mich auch noch an das Einsamkeitsgefühl erinnern, dass einem als Babymutter überkommt – und die Tage konnten manchmal wirklich lang werden! Aber was ich versichern kann: Beim zweiten Kind wird es besser! Und beim dritten erst recht! Da bleibt gar keine Zeit für Langeweile.

Was ich mit den überflüssigen Förderkursen vor allem meine, sind die Kurse für Kindergartenkinder oder Schulkinder, mit denen sich viele Mütter stressen und im Eiltempo vom Kindergarten zum Turnen und dann nach Hause flitzen, ohne auch nur eine Minute für ein wenig Ruhe zu haben. Aber: Wenn die Kurse Euch und den Kindern Spaß bringen – und Ihr sie aus diesen Gründen macht (und nicht nur, weil es eben alle machen oder die Kinder unbedingt etwas lernen sollen, obwohl es alle Beteiligten nur stresst), dann ist gegen die Kurse überhaupt nichts einzuwenden! Doch niemand muss sich zu diesen Kursen gezwungen fühlen, um sein Kind optimal auf die Schule vorzubereiten: Das freie Spielen ist und bleibt das Beste, was Ihr Eurem Kind an Förderung geben könnt!

Kolumne für Mütter - Einsamkeit als Babymutter, wie es sich anfühlt, als Mama eines baby niemanden zum Austausch zu haben #baby #familie

Mehr darüber, wie wir unsere Kinder ohne Druck und in ihrem eigenen Tempo erziehen, lest ihr in meinem Buch „Das Kind wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“.

Kennt Ihr auch  meine anderen Bücher?

 „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“
  Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein: Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter 

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel

Kennt Ihr eigentlich schon mein Kochbuch? „Das Familienkochbuch für nicht perfekte Mütter“ – dort findet Ihr mehr als 80 Rezepte – unkompliziert nachzukochen und zu backen!

Willkommen bei der ganznormalenMama! Wollt Ihr familienfreundliche Reisetipps? Oder kinderleichte Rezepte? Oder Lustiges, Nachdenkliches aus dem Mamaalltag? Dann stöbert im Archiv und folgt mir auf Facebook, bei Instagram oder Pinterest– ich freue mich auf Euch!

9 Kommentare zu “Die Einsamkeit der Babymutter – ein Leserbrief

  1. Das erging mir auch so – wobei ich in manche Kurse durch die Mamas der Geburtsvorbereitung gerutscht bin oder durch die Hebamme die das Babyschwimmen bis 3 gemacht hat. Letzteres hatte auch immer den Vorteil dass man mal kurz was nachfragen konnte oder ihr auch mal was aufgefallen ist beim Kind weil sie sie ja von Anfang an kannte und dann auch mal ne Mama zum Arzt geschickt hat um was abklären zu lassen. Aber es hat einfach geholfen raus zu kommen, normal reden zu können, auch geistig kam ich mir irgendwie unterfordert vor – eben noch 180% im Job und dann – Vakuum, Leere. Durch Zufall wurde ich dann auch noch die Leitung der beiden Krabbbelgruppen die ich am Anfang besucht hatte – und das hat auch Spaß gemacht, denn es hat wieder mehr Herausforderungen geboten war aber auch manchmal stressig. Trotzdem habe ich zum Kindergartenstart am Anfang keine weiteren Termine gehabt für die Maus – später dann das Turnen, war aber in der Zeit arbeiten wenn mein Mann daheim war. Da habe ich dann so manche gestresste Mutter beobachtet die vom Kinga zur Musikstunde und dann zum Sport usw. gehetzt ist. Ich denke es kommt auch aufs Kind an – aber auch jetzt zum Anfang der Schule wollt ich erstmal die Umstellung in Ruhe passieren lassen und jetzt zeigt sich dass doch noch ein Sporttermin gut tun würde (testen wir jetzt mal) und eine AG war auch gewünscht. Das gute ist dass die AGs immer nur ein Halbjahr gilt – dann kann man auch wieder aufhören oder wechseln..

  2. Liebe Babymutter: aus diesem Grund geht meine Kleine seit sie vier Tage alt war zur Spielgruppe…
    Ich weiß noch wie es bei der Großen war: hier auf dem Dorf gibt es diese Babyangebote gar nicht und im Endeffekt habe ich das Baby als es sitzen konnte manchmal im (einzigen großen) Supermarkt in den Einkaufswagen gesetzt und bin alle Gänge abgelaufen (habe das erste Kind mit 22 bekommen – da war das im Freundeskreis noch gar kein Thema…)

    Und ehrlich, mit Babys spielen ist furchtbar langweilig. Ich wollte immer mehr Kinder, damit ich nicht mitspielen muss.

  3. Das ist ein sehr schöner Beitrag und er zeigt etwas, da wir im Alltag oft vergessen: es gibt immer mehrere Perspektiven etwas zu betrachten und damit auch etwas einzuschätzen.
    Ich finde mich in beiden Perspektiven auf dieses Thema „Förderangebote“ für Kinder wieder!
    Alles hat seine Zeit und jeder Mensch (ob klein oder groß) seine Meinung zum jeweiligen Angebot (was ja auch von Anbieter zu Anbieter anders gestaltet wird)…

  4. Danke Nathalie, dass du diese Mail veröffentlicht hast. Ich bin eine Babymutter, die mit dem ersten Kind so manch langen Tag hinter sich bringen muss. Gerade im Winter ist es noch schlimmer, weil es viel dunkel ist und das Wetter oft nicht zum rausgehen einlädt. Da trifft man niemanden auf der Straße zum quatschen.
    Ich habe das Glück, dass in meinem Geburtsvorbereitungskurs total tolle Mamas waren mit denen wir eine WhatsApp Gruppe haben und uns ab und an mal treffen oder einfach so austauschen und wir buchen uns jetzt alle zusammen einen Delfi. Trotzdem kenne ich die alltägliche Einsamkeit bis mein Freund nach Hause kommt. An alle einsamen Mütter, ihr seid nicht allein :)

  5. Der Leserbrief spricht mir aus der Seele. Den hätte ich fast genauso schreiben können. Bei mir ist es zwar schon das zweite Kind und ja die Nachmittage sind durch das erste Kind nicht mehr so lang und ruhig schon gar nicht, aber ich muss trotzdem mal raus und unter (erwachsene) Menschen. Wir machen Babyschwimmen und Pekip – einfach weils Spaß macht. Und gerade bei unserem Pekip-Kurs geht’s nicht nur um die Babys sondern auch um uns Mamas.
    Später wenn der Arbeitsalltag wieder eintritt werde ich auch darauf achten, dass es nicht zu viel wird.

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