Mit dem heutigen Tag habe ich zwei Schulkinder! Denn heute wurde auch mein Mittlerer eingeschult. Vorbereitet haben wir ihn nicht. Also nicht mehr als das, was im Kindergarten gemacht an Vorschulübungen gemacht wurde. Ich habe mit ihm keine Übungshefte in den Ferien durchgearbeitet. Wir haben auch keine Schwungübungen gemacht. Und ich habe auch kein Kopfrechnen geübt. Denn: Die Lehrer sind die Experten. Und ich vertraue darauf, dass sie meinem Kind den Stoff besser beibringen können als ich – schließlich habe ich BWL studiert und nicht auf Lehramt! Was müssen Schulanfänger bei der Einschulung eigentlich können? Und was müssen Kinder zum Schulbeginn nicht können? Wie können wir Eltern unsere Vorschulkinder am besten auf die Schule vorbereiten? Und wo können wir ganz entspannt sein? Ich habe eine erfahrene Grundschullehrerin, die selbst einen Erstklässler als Sohn hat, gefragt:
Was müssen Kinder können, wenn sie in die Schule kommen?
Ganz wichtig finde ich, dass sie Lernbegeisterung mitbringen und gerne zur Schule kommen. Das ist schonmal die halbe Miete. Sehr wichtig ist aber auch, dass sie sich konzentrieren können, zumindest eine gewisse Zeitspanne und sei es am Anfang erst einmal nur fünf Minuten. Dafür müssen sie nicht unbedingt still sitzen, wenn sie dabei im Stehen arbeiten und mit dem Po wackeln, dann ist das in Ordnung! In der ersten Klasse machen wir viel mit Bewegung und stehen mindestens einmal in der Stunde auf, um uns zu bewegen. Was mich persönlich am meisten stört, ist, wenn die Kinder laut sind und nicht hören können, auch nicht auf andere Kinder. Ich finde es wichtig, dass sie sich in eine Gemeinschaft einfügen können, dass sie Regeln annehmen können und auch mal zurückstecken können und auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht nehmen können.
Also der ganze zwischenmenschliche Bereich?
Genau, zum Beispiel auch, dass sie wissen, dass sie niemanden wehtun dürfen. Ganz wichtig ist übrigens auch eine gewisse Frustrationstoleranz! Auch mal verlieren können, nicht immer der Erste sein müssen, das erwarte ich von Erstklässlern.
Soziale Fähigkeiten zum Schulbeginn
Und was ist mit Rechnen oder Schreiben?
Kinder sollten bis 10 zählen können und ihren Namen schreiben. Und das können auch die meisten Kinder, wenn sie in die Schule kommen – selbst wenn sie es nicht können, lernen sie es superschnell! Sie müssen noch nicht rechnen können und auch nicht alle Buchstaben beherrschen, geschweige denn richtig Lesen und Schreiben. Das bringen wir Lehrer ja den Kindern bei, das ist ja schließlich unsere Aufgabe.
Wenn ein Kind wirklich Lust hat, sich selbst Lesen und Schreiben beizubringen, dann ist es OK. Aber Eltern müssen das nicht mit ihren Kindern vorher üben. Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, wenn er mit dem Kind nicht diese ganzen Vorschulhefte durchübt! Viel wichtiger als das korrekte Schreiben von Buchstaben oder gar Wörtern ist, dass die Schulanfänger den Stift richtig halten können. Es ist nämlich sehr schwierig, den Kindern eine falsche Stifthaltung wieder abzugewöhnen. Aber wenn ein Kind in die Schule kommt und den Stift noch nicht richtig halten kann, dann ist das auch kein Weltuntergang. Das wird dann eben im Unterricht geübt.
Wie sieht es denn mit den feinmotorischen Fähigkeiten aus? Schneiden, basteln?
Kinder sollten vor der Einschulung gut mit der Schere umgehen können, das ist schon wichtig. Das sind eigentlich alles Sachen, die Kinder auch schon im Kindergarten lernen.
Lieber die Selbständigkeit üben als das ABC
Wie selbständig sollten Schulanfänger sein?
Ich finde es wichtig, dass sie alleine auf Klo gehen können, dazu gehört auch, sich selbst abwischen können! Das macht kein Lehrer mehr. Wichtig ist auch, dass sie sich selbst an- und ausziehen können – wobei das in den ersten Monaten gerade bei den Jungs nach dem Sportunterricht echt ein Durcheinander in der Umkleidekabine ist und manchmal ewig dauert. Ich finde es wichtig, dass die Kinder so früh wie möglich den Schulweg alleine meistern könnten. Eltern sollten Vertrauen ins Kind haben. Und Vertrauen in uns Lehrer. Eltern sollten nicht nur ihren Kindern sondern auch uns Lehrern eine Chance geben, zu zeigen, was wir können – und nicht schon vor dem ersten Elternabend meinen, uns in den Unterricht reinreden zu müssen. Das hat in den vergangenen Jahren echt immer mehr genommen!
Das Vertrauen in die Lehrer und ins eigene Kind ist anscheinend so eine Sache, mit der einige Eltern Probleme haben… auch das Loslassen ist so eine Sache. Bei meinem Großen gab es einige Eltern, die ihre Kinder noch das gesamte erste Halbjahr bis in die Klasse gebracht haben und den Kinder noch die Hefte aus dem Schulranzen geholt haben. Oft schwingt auch die Angst mit, dass die Kinder Fehler machen.
Da muss niemand Angst haben: Jeder Mensch macht Fehler und das ist gar nichts Schlimmes! Dazu gibt es ja schließlich Radiergummis. Abgesehen davon, gerade an den Fehlern können wir Lehrer einschätzen, was Kinder schon können und wie weit die Klasse ist.
Das heißt, wenn ein Kind im Kindergarten oder bei den U-Untersuchungen keine Auffälligkeiten zeigte und als schultauglich eingestuft wurde, müssen wir Eltern uns keine Gedanken machen, sondern sollten die Sommerferien vor der Einschulung lieber noch einmal nutzen, die Kinder ganz entspannt spielen zu lassen?
Eine gezielte Schulvorbereitung vor der Einschulung ist wirklich Blödsinn! Und auch andere Klassenstufen müssen in den Sommerferien nicht für die Schule üben. Pausen und Ferien sind so wichtig, Kinder müssen sich doch auch erholen! Spielen ist übrigens für Kinder lernen – das wird ganz oft unterschätzt.
Da gibt es ja sogar Studien zu, dass die Kinder im Spiel alle wichtigen sozialen Fähigkeiten und auch Lernfähigkeiten lernen, darüber habe ich hier auf dem Blog übrigens schon geschrieben.
Genau! Kinder lernen im freien Spiel so viele wichtigen Dinge, deshalb sollten wir sie so viel wie möglich spielen lassen. Das gilt nicht nur für Schulanfänger, sondern für alle Grundschüler.
Danke für das Interview! Also mehr die Selbständigkeit trainieren als das ABC – das sind tatsächlich auch meine Erfahrungen mit meinem Großen, der jetzt in die vierte Klasse kommt. Darüber, hatte ich übrigens auch hier auf dem Blog Kinder auf die Schule vorbereiten: Was das Wichtigste ist einmal geschrieben. Deshalb weg mit den Vorschulheften und raus in den Garten :-) Genießt die Ferien, bis die Schule losgeht!
Mehr darüber, wieso es so wichtig ist, unseren Kindern ihr eigenes Tempo zuzugestehen und wie ihr euren Kindern dabei helfen könnt, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln, lest ihr auch in meinem Buch „Das Kind wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“.
Kennt Ihr eigentlich schon mein Kochbuch? „Das Familienkochbuch für nicht perfekte Mütter“ – dort findet Ihr mehr als 80 Rezepte – unkompliziert nachzukochen und zu backen!
Kennt Ihr auch meine anderen Bücher?
„Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“
„Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“
Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel
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