Ob denn ihr Mann damit einverstanden sei, dass sie als mehrfache Mutter eine Berufstätigkeit aufnehme, wurde sie gefragt. Sie saß im Bewerbungsgespräch und ihr kamen die Tränen, schrieb mir eine Leserin. Zur Erinnerung: Seit 1977 dürfen Frauen auch ohne die Erlaubnis ihres Mannes arbeiten gehen. Seit 1977, by the way, das wurde drei Jahre vor meiner Geburt eingeführt. Dass 1977 für so ein Gesetz skandalös spät war, ist die eine Sache. Die andere Sache ist die, was das über das Mütterbild aussagt, wenn Frauen diese Frage im Jahr 2022 noch gestellt wird. Eine andere Leserin erzählte mir vor kurzem, dass ihr im Bewerbungsgespräch zum Vorwurf gemacht wurde, dass sie ihre Elternzeit im Lebenslauf „unterschlagen“ hatte. Dabei gibt es keine Verpflichtung, die Elternzeit im Lebenslauf anzugeben. Ein Leser berichtete mir, dass er direkt, als er aus der Elternzeit an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, eine Kündigung vorfand. Denn der Kündigungsschutz gilt nur acht Wochen vor der Elternzeit und während der Elternzeit, nicht danach. Das sind nur einige Beispiele für Diskriminierungen von Eltern. Dass das keine Einzelfälle sind, zeigt eine gerade veröffentlichte Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: 41 Prozent aller befragten Eltern sagten demnach, dass sie am Arbeitsplatz aufgrund ihrer Elternschaft Diskriminierung erlebt haben.
56 Prozent der befragten Eltern sagen in der Umfrage, dass sie mindestens eine diskriminierende Situation während der Schwangerschaft erlebt haben, also dass ihnen beispielsweise Verantwortlichkeiten entzogen worden sind, weniger anspruchsvolle Aufgaben zugeteilt worden sind oder Aufstiegsmöglichkeiten aufs Eis gelegt wurden. Das kenne ich auch aus meinem Bekanntenkreis, wo mehr als einer werdenden Mutter vorher fest ausgemachte Fortbildungsangebote gestrichen wurden oder Projekte entzogen wurden. „Als Schwangere darfst du dich ja nicht so stressen“, wurde einer Freundin von mir als Begründung gesagt, als man ihr die Verantwortung für eine große Marketingkampagne entzog und ihr bis zum Mutterschutz Sachbearbeiterdinge zu tun gab, für die sie überqualifiziert war, damit sie sich „schonen“ konnte. Laut Umfrage gibt ein Drittel der Männer an, dass auf die Bekanntgabe der Elternzeit abfällig reagiert wurde, bei der Hälfte der Männer gab es bei der Rückkehr aus der Elternzeit negative Reaktionen vom Kollegenkreis und den Vorgesetzten – auch das ist so etwas, das ich aus dem Bekanntenkreis gut kenne.
Ein weiterer Punkt, der in der Umfrage oft von Eltern genannt wurde, war, dass bei der Urlaubsplanung, den Schließzeiten von Kindergärten und den Schulferien zu wenig auf sie Rücksicht genommen wurde und bei Kinderkrankentagen zu wenig Entgegenkommen der Kolleg*innen und Arbeitgeber*innen erfolgt sei. Auch das kenne ich: Höhnische Sprüche, wenn Eltern wegen eines kranken Kindes zuhause bleiben müssen. Dabei hat es so gar nichts mit einem freien Tag zu tun, wenn man ein fieberndes oder spuckendes Kind zuhause betreut.
Es sind keine gefühlten Diskriminierungen, die Benachteiligung ist real. Was zeigt, dass sich hier dringend etwas ändern muss.
Die Schlussfolgerung der Studie: Es ist dringend nötig, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG von Beschäftigten aufgrund von Elternschaft und Pflege zu stärken. Eine Forderung, die im vergangenen Jahr von der Proparentsinitiative kam, die ich mit vielen anderen Autor*innen, Blogger*innen und Eltern unterstützte. Es ist höchste Zeit, dass sich hier etwas tut – aber nicht nur im Gesetz, sondern auch in den Köpfen. Denn derartige Äußerungen und Diskriminierungen zeigen deutlich, wie eltern- und somit auch kinderfeindlich die Mentalität doch noch ist. Es geht darum, Kinder nicht als „lästiges Anhängsel“ zu betrachten, dass die Produktivität schmälert. Der Blickwinkel des Gesellschaft muss sich ändern. Kinder bereichern. Auch die Arbeitnehmer*innen, auch die Arbeitswelt. Kinder sind ein Teil der Gesellschaft – ein unglaublich wichtiger Teil, denn sie sind die Zukunft, sie sind die, die einmal bestimmen werden (über uns, über unsere Umwelt, über unsere Renten), wenn wir alt sind. Das sollten wir nicht vergessen.
Mehr dazu schreibe ich übrigens auch in meinem nächsten Buch, das Ihr jetzt schon vorbestellen könnt: „Deutschland, ein kinderfeindliches Land? Worunter Familien leiden und was sich ändern muss.“ Bestellt es vor, sagt es weiter, damit das Thema so viel Aufmerksamkeit wie möglich erfährt! Zusammen können wir etwas bewegen!