Kinder auf die Schule vorbereiten: Was das Wichtigste ist

Ein halbes Jahr ist mein Großer nun schon in der Schule! Die Zeit rast! Ehe ich mich versah, konnte er schon bereits in den Herbstferien die ersten Bücher lesen. Mist, nun kann ich abends beim Vorlesen nicht mehr abkürzen – denn er merkt es sofort und es gibt mächtig Ärger. Das gemütliche Vorlesen abends im Bett genießt er ein Glück immer noch und sein kleiner Bruder auch. Aber ansonsten hat sich viel verändert mit der Schule – und er hat sich auch verändert (ja, und ich auch). Vor allem aber habe ich schnell gemerkt, was das Wichtigste ist, was Ihr Euren Kindern vor dem Schulstart mit auf den Weg geben solltet. Nein, es sind nicht die Buchstaben in Groß- und Kleinschreibung. Und Ihr müsst mit Euren Kindern auch nicht das Addieren und Subtrahieren üben. Kein Kind muss bereits vor dem ersten Schultag lesen und schreiben können.

Alles Fachliche lernen die Kinder schon. Lehrer sind Profis. Die wissen, wie man Kindern Lesen und Schreiben und Rechnen beibringt. Kinder sollten ihren Namen schreiben können. Einen Stift richtig halten. Und auch die Zahlen bis zehn sollten sie beherrschen, aber die natürlich angeborene Neugier von Kindern bringt das eigentlich ja mit sich, dass sie diese Dinge bis zur Schule gelernt haben. Diese Dinge muss kein Kind auswendig pauken – in der Regel lernt man das ganz spielerisch im letzten Kindergartenjahr.

Ohne Selbständigkeit fällt die Umgewöhnung in die Schule schwer

Was aber viel wichtiger ist als alles Fachliche, als alle Rechenkünste oder Schönschriftbuchstaben: Selbständig sein. Sich zurecht finden. Selbstsicher sein. Auch mal den Mund aufmachen können, um etwas zu fragen. Und in der Lage zu sein, Dinge zu lernen. Sich auch mal länger als zehn Minuten einer Sache zu widmen. Dafür müssen Kinder nicht unbedingt 45 Minuten still sitzen können. Denn in der ersten Klasse geht es im Unterricht meist noch recht bewegt zu – zumindest bei uns an der Grundschule (eine ganz normale Grundschule übrigens, auch die öffentlichen Schulen gehen mit der Zeit!). Die Kinder sitzen da auch schon mal auf dem Fußboden, können im Unterricht umherlaufen und an Lernstationen Platz nehmen.  Wer also glaubt, ab dem letzten Kindergartenjahr seine Kinder mit täglichen Übungen am Tisch mit Schreiben und Lesen bestens auf die Schule vorzubereiten, irrt sich. Das hat zumindest meine Erfahrung gezeigt.

Denn Schreiben, Lesen und Rechnen, das kommt ganz von alleine. Kinder in diesem Alter saugen das Wissen gerade zu auf und bringen eine angeborene Begeisterung für alles Neue mit.

Die würde man mit dem Zwang „Wir üben schon mal für die Schule“ nur zerstören. Versteht mich nicht falsch: Wenn Eure Kinder Fragen stellen und schon mehr als ihren Namen schreiben wollen, dann lasst sie natürlich und helft Ihnen! Das ist das, was ich mit angeborener Neugier meine. Aber zwingt sie nicht dazu, alle Buchstaben in Groß- und Kleinvariante aufzuschreiben (abgesehen davon, dass es Kindern auch gut tut, wenn sie das Schreiben und Rechnen wirklich systematisch wie in der ersten Klasse vorgesehen lernen – das ist schließlich die Basis für das ganze spätere Lernen!), wenn sie es nicht wollen. Lasst sie lieber spielen – Ihr wisst, das freie Spielen ist so ein Dauerthema von mir.

Der „Ernst des Lebens“ beginnt schon früh genug!

Was mir der Schulstart meines Großen vor allem gezeigt hat: Viel wichtiger als die fachliche Basis ist die soziale Komponente. Denn in der Schule ist Selbständigkeit gefragt.

Einschulung: Kinder auf den Schulstart vorbereiten. Was das Wichtigste ist, was Kindergartenkinder vor dem Schulbeginn lernen sollten. Selbständigkeit als Schlüssel für den Schulerfolg.

Was für die Einschulung benötigt wird

Mit dem Schulstart werden wir Eltern hineingeworfen in eine andere Welt – in eine Art Blackbox. Denn im Gegensatz zum Kindergarten bekommt man nur noch die Hälfte mit. Da ist morgens kein Erzieher, dem man mitteilen kann, dass der Sohnemann schlecht geschlafen hat und deshalb etwas meckerig drauf ist. Da kann man nachmittags beim Abholen nicht eben mal fragen, ob was Besonderes vorgefallen ist. Und da hängt auch kein Zettel an der Garderobe, der noch mal an den anstehenden Ausflug erinnert. Diese fehlende direkte Kommunikation habe ich am Anfang wirklich vermisst. Klar, es gibt Emails von der Klassenlehrerin, die auf Ausflüge hinweisen und an Projekttage erinnern. Aber vieles wird von Lehrer zu Kind und dann wieder von  Kind zu Eltern kommuniziert. Und das ist wie „Stille Post“-Spielen. Da verändert sich schon mal die Bedeutung…

Deshalb bringt Euren Kindern bei, selbst nachzufragen, wenn etwas unklar ist. Übt mit ihnen schon im Kindergarten, kleine Nachrichten von Euch an die Erzieher weiterzuleiten. Umso häufiger sie das üben, umso kleiner werden die Übertragungsfehler! Und im Kindergarten kann man noch nachfragen, ob und wie die Nachricht vom Kind übermittelt wurde. In der Schule im Zweifelsfall nicht. Das musste ich auch lernen.

Erstklässler bewegen sich auf einmal alleine durch eine – im Vergleich zum Kindergarten – riesige Schule. Da sind auf einmal sehr viel größere Kinder, die auch mal die Tür zum Klo versperren oder auf dem Schulhof den Ball wegnehmen (und Viertklässler sind im Vergleich zum Erstklässler unglaublich groß!). Und nicht immer steht ein Lehrer daneben. Da sind auf einmal viel längere Wege zurückzulegen, da muss der Weg in die Turnhalle selbst gefunden werden und es sagt einem auch keiner, welcher Turnschuh an den linken und welcher an den rechten Fuß muss und wo vorne und hinten bei der Turnhose ist. Nach dem Toilettengang fragt kein Erzieher, ob man sich die Hände gewaschen hat und den Hosenknopf macht einem auch keiner zu. Und wann das Pausenbrot gegessen wird, muss so ein Schulkind auch selbst entscheiden – und nicht mehr wie im Kindergarten die Erzieher, die alle zum Mittag zusammenrufen.

Es sind viele Entscheidungen selbst zu treffen an so einem Vormittag, die einem im Kindergarten noch abgenommen wurden. Auf einmal ist das Kind groß. Und in vielerlei Hinsicht alleine gelassen in dem großen Schulgebäude. Da braucht es eine große Portion Selbständigkeit und auch Selbstsicherheit für den Schulstart.

Je selbständiger die Schulanfänger sind, umso leichter fällt der Schulstart und das Umgewöhnen vom Kindergarten in die Schule. Und je leichter das Umgewöhnen fällt, desto mehr Energie kann das Kind für das inhaltliche Lernen aufwenden. Je leichter all die selbständigen Entscheidungen fällen, desto mehr kann ein Schulanfänger sich dem Schreibenlernen und Rechnen zuwenden. Eigentlich logisch.

Wenn Kinder selbständig werden, müssen wir Eltern loslassen

Aber in diesem ersten Halbjahr in der Grundschule traf ich immer wieder auf Eltern, deren Kinder zwar schon vor Schulbeginn lesen und schreiben konnten – aber den Weg in den Klassenraum nicht alleine fanden. Oder zumindest dachten das die Eltern. Es stehen jetzt die Osterferien vor der Tür – und die Schulleiterin schrieb allen Eltern eine Email, dass doch nach den Osterferien bitte die Kinder am Schultor abzugeben sind und nicht mehr bis in die Klassen begleitet werden sollten. „Ihre Kinder schaffen das – und Sie auch“ schrieb die Schulleiterin aufmunternd. Bei den Kindern bin ich mir da auch sicher  – bei manchen Eltern nicht unbedingt… Gab es doch nicht wenige, denen es nicht reichte, das Kind bis zur Klasse zu bringen (und selbst das ist eigentlich nach den ersten zwei, drei Schultagen nicht mehr nötig – ganz ehrlich: Die Kinder finden doch nach der Pause auch den Weg zurück ins Klassenzimmer!), nein, es gab doch tatsächlich Eltern, die ihre Erstklässler selbst nach den Weihnachtsferien noch IN den Klassenraum begleiteten und dort noch dabei halfen, Federtasche und Hefte auf den Tisch zu legen.

So bringen wir Kindern keine Selbständigkeit bei.

Denn, wenn Kinder selbständig werden sollen, gehört auch eine große Portion Vertrauen dazu. Und ein Loslassen. Wir müssen unseren Kindern eigene Erfahrungen zugestehen. Dann kommen sie vielleicht zu spät zum Unterricht, weil sie auf dem Weg vom Schultor zum Klassenraum getrödelt haben – aber beim nächsten Mal werden sie sich dann umso mehr beeilen. Und die Welt geht davon auch nicht unter, wenn unsere Kinder im Deutschunterricht das Matheheft auf den Tisch legen, weil wir nicht im Klassenraum sind, um ihnen zu sagen, was sie zu tun haben. Dafür sind sie dann umso stolzer, wenn sie bei der nächsten Stunde die richtigen Hefte aus dem Ranzen geholt haben. Ich muss auch gestehen, am Anfang überfiel auch mich immer Kontrolldrang. Mir fehlte diese direkte Kommunikation mit den Lehrern. Es fiel anfangs schwer, meinen kleinen, eher schüchternen Sohn ganz alleine in das Schulgebäude gehen zu lassen.

Ohja, der Schulbeginn ist auch eine große Umstellung für uns Eltern!

Mit jedem Schritt Selbständigkeit, den wir unseren Kindern zugestehen, wachsen sie, werden sie selbstbewusster – und in der Schule braucht man diese große Portion Selbstbewusstsein, um sich durchzusetzen gegen all die Rabauken, die es an jeder Schule gibt und die ein feines Gespür dafür haben, welche Kinder eben nicht über solches Selbstbewusstsein verfügen.

So helfen wir unseren Kindern beim Schulstart

Was wir Eltern also tun können, um unsere Kinder auf die Schule vorzubereiten? Ihnen einfach mehr zuzutrauen. Sie im Kindergarten schon mal alleine in die Garderobe gehen zu lassen und sich umzuziehen, anstatt sie jeden Morgen in die Garderobe zu begleiten und ihnen die Hausschuhe richtig herum hinzulegen. Ich habe im letzten Kindergartenjahr meines Großen immer nur den Kleinen in seine Garderobe begleitet und den Großen schon mal alleine in seine Garderobe geschickt, wo er sich viel schneller als unter meiner Aufsicht umzog und stolz wieder zu mir rannte und zeigte, dass die Hausschuhe richtig herum an den Füßen saßen. Wer keine kleinen Geschwister hat, kann sich einfach „rein zufällig“ mit einer anderen Mutter festquatschen und das Kind schon mal in die Garderobe flitzen lassen. Man kann das Kind beim Bäcker selbst bestellen lassen. Oder es im Restaurant alleine auf Klo gehen lassen und vor der Tür stehen bleiben. Man kann dem Kind auftragen, der Erzieherin selbst zu sagen, dass es am Nachmittag früher abgeholt wird, anstatt es selbst zu machen.

Es sind diese vielen kleinen Übungen im Alltag, die dem Kind Selbstsicherheit geben und es stark machen für den Schulanfang. Und das ist wichtiger als bis 100 zu rechnen oder die Kinderseite alleine zu lesen. Das Fachliche, was wichtig ist, das wird bei der Einschulungsuntersuchung getestet. Wenn es da noch etwas zu tun gibt, werden das die Eltern schon erfahren und dann kann man gegensteuern. Aber wenn da alles okay ist, dann wird das Kind mit dem Fachlichen schon klar kommen. Und wenn es dann lieber Legos bauen möchte oder im Matsch buddeln möchte anstatt schon mal prophylaktisch die Buchstaben zu pauken, dann lasst es matschen, bauen oder Klettern. Das Schreiben lernt es noch früh genug in der ersten Klasse! (ist so, glaubt mir)

Einschulung: Kinder auf den Schulstart vorbereiten. Was das Wichtigste ist, was Kindergartenkinder vor dem Schulbeginn lernen sollten. Selbständigkeit als Schlüssel für den Schulerfolg.

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6 Kommentare zu “Kinder auf die Schule vorbereiten: Was das Wichtigste ist

  1. Das mit der Selbstsändigkeit müssen wir mit unserer Großen noch üben. Gut, dass sie noch etwas Zeit hat und im Sommer ihr kleiner Bruder in die gleiche Kita kommen soll, dann können wir den Trick mit der Garderobe anwenden. ;)

  2. Moin! Unser Lütter hat in der ersten Klasse eine Postmappe und ein Mitteilungsheft. Darin sind Briefe von den Lehrern an die Eltern und ins Heft können wir Fragen schreiben, die Die Lehrerin dann beantwortet. Mails gibt es auch. Aber so bekommen die Kinder mehr mit, was die „Großen“ zu besprechen haben. Klappt bestens.

  3. Dieser Beitrag berührt mich gerade sehr, weil unsere Tochter nächstes Jahr in die Schule kommt und im Mai schon zur Untersuchung muss. Ich glaube diesen Text werde ich mir noch oft durchlesen. (Dann auch mal ohne Tränen zu vergießen)
    Vielen Dank dafür.

  4. Hallo Nathalie, vielen lieben Dank für diesen authentischen und interessanten Artikel. Als Mama eines Fünf- und eines Zweijährigen hatte ich bis jetzt noch keine Ahnung was beim Schulstart auf uns zukommt. Andere Mütter informieren einen da auch nicht, es sei denn man fragt direkt nach. Liebe Grüße Susanne

    • Hallo!
      Ich teile diesen Eindruck, das andere auch nichts erzählen, außer man fragt nach!
      ABER ich glaub, ich weiß wieso!
      Man hat so viele Fragen, Sorgen und vielleicht auch Ängste vor der Einschulung und will nur möglichst viele Informationen und Input bekommen, um eine gewisse Sicherheit zu erlangen.
      Und wenn das Kind dann erstmal eingeschult ist und man den Wind aus den Segeln genommen bekommt, merkt man, es ist alles so lächerlich und überflüssig gewesen.
      Und da es dann vielleicht echt total banal ist, erzählen uns andere nichts, da es nicht der Rede wert ist!

      Das ungewisse und fremde, neue, macht uns Angst.
      Egal worum es geht, hinterher weiß man, das (wiedermal) alle nur mit Wasser kochen und nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.

      Alles Gute
      Dajana

  5. Der Artikel ist super! Vielen Dank dafür!
    Ich hoffe, dass ihn viele Eltern lesen.
    Als Lehrerin bin ich immer froh, wenn die Kinder zu Schuljahresbeginn noch nicht lesen können, denn oft ruhen siee sich dann drauf aus und verpassen später den Anschluss.
    Die Selbständigkeit ist viel wichtiger! Alles einpacken, was für die Hausaufgabe benötigt wird, selbst am Wochenende die Stifte spitzen, der Lehrerin Bescheid geben, wenn es ein Problem gibt, selbst Schuhe an- und ausziehen können (klappt leider oft nicht!) und – wie du schreibst – sich längere Zeit selbständig einer Sache widmen können sind weitaus wichtigere Voraussetzungen.
    Vielen Dank!

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