Der Vater ist gerade auf den Spielplatz gekommen, das Handy unters Kinn geklemmt. Während er seinem Sohn aufs Klettergerüst hilft, schallen Wortfetzen herüber. „Müssen wir unbedingt morgen im Meeting besprechen“ und „ich schick gleich ne Mail“. Sohnemann ist gerutscht und buddelt im Sand, der Vater tippt aufs Smartphone und bekommt nicht mit, wie Sohnemann ihm ein Sandeis bringt, bis Sohnemann ihm das Eis, also den Sand, über die Hose kippt. Er lacht und gibt seinem Sohn einen Kuss, bevor er sich wieder dem Smartphone widmet. „Ich finde es ja toll, wenn sich Väter so engagieren“, wispert eine Mutter der anderen zu. „Wie süß er mit seinem Kleinen umgeht“, sagt die andere. Wieder eine andere sagt „toll, dass das möglich ist, auch auf dem Spielplatz zu arbeiten und Zeit mit dem Kind zu verbringen.“ Es ist 16.30 Uhr. Während der Vater weiter am Sandkastenrand sitzt, kommt eine andere Mutter mit ihrer Tochter auf den Spielplatz. „Die arme Kleine, ihre Mutter arbeitet immer bis vier“, wispert es am Sandkastenrand. „Der ist die Arbeit wichtiger als ihr Kind“, antwortet die andere. Die vollzeitarbeitende Mutter klemmt sich das Handy unters Ohr und während sie ihrer Tochter auf die Rutsche hilft, schallen Wortfetzen herüber: „Müssen wir im Meeting besprechen. Ich schick gleich ne Mail.“ Am Sandkastenrand werden die Augen verdreht: „Die arbeitet selbst noch auf dem Spielplatz anstatt mit ihrer Tochter zu spielen.“
Die Mutter setzt sich auch an den Sandkasten, tippt auf ihrem Handy herum, während ihre Tochter einen Sandkuchen backt. Als das Mädchen ihr das Sandförmchen reicht, wirft sie einen kurzen Blick drauf, sagt „mmm, lecker“, kippt den Sand aus und tippt weiter auf ihrem Handy herum. „Was für eine Rabenmutter, sie kümmert sich nicht mal richtig um ihr Kind“, tuschelt es ein paar Meter weiter. „Da ist das Kind den ganzen Tag im Kindergarten und noch nicht mal jetzt hat sie Zeit für das Kind“, tuschelt es zurück.
Zweierlei Maß.
Sie machen beide genau das Gleiche.
Der engagierte Vater und die Rabenmutter.
Aber er ist halt ein Er. Und sie ist halt eine Sie.
Väter werden dafür gefeiert, dass sie das machen, was die meisten Mütter eh ständig machen. Geht der Vater mit dem Kind zum Kinderturnen, ist er der Held, der sich so toll ums Kind kümmert und ach, so toll einbringt. Macht man das als Mutter ist es halt das, was man so macht.
Arbeitet man als Vater Vollzeit, dann ist das halt so. Machen Väter eben so. Macht man das als Mutter, ist man – ja, und leider nicht selten! – für viele eine Rabenmutter. „Wieso bekommt die Kinder, wenn sie Vollzeit arbeiten will?“ – diesen Satz hört man gar nicht mal so selten, um nicht zu sagen, ziemlich oft.
Abgesehen davon, dass es niemanden etwas angeht, wie man seine Arbeitszeit gestaltet und welches Familienmodell man wählt, ist dieser unverschämte Satz schlicht eine Ungerechtigkeit. Denn Männern wird so etwas einfach nicht gesagt.
Was ziemlich viel darüber aussagt, wie unsere Gesellschaft tickt. Und was sich ändern muss, damit wir ein Stück weiter in Richtung echter Gleichberechtigung kommen. Es gibt unwahrscheinlich viele gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die verbessert werden müssen – für mehr Vereinbarkeit, für mehr Gleichberechtigung – aber eben auch in den Köpfen muss sich etwas ändern. Dieses zweierlei Maß, mit dem gemessen wird, das mag ich nicht. Das ist überflüssig. Das muss nicht sein.
Einer der Schlüssel, was hilft? Zum Beispiel, dass es mehr Unterstützung für das Fifty-Fifty-Modell gibt. Vielleicht sogar eine Art gesetzliche Verpflichtung dazu. Auf jeden Fall muss sich etwas ändern. Und wir alle können etwas dazu beitragen. Indem wir aufhören, Mütter zu verurteilen, nur weil sie Vollzeit arbeiten. Und aufhören Väter zu Helden zu stilisieren, weil sie ihren Kindern die Windeln wechseln. Das wäre ein Anfang!
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Kennt Ihr auch meine anderen Bücher?
„Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“
Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein: Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter
„Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“
Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel
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Willkommen bei der ganznormalenMama! Wollt Ihr familienfreundliche Reisetipps? Oder kinderleichte Rezepte? Oder Lustiges, Nachdenkliches aus dem Mamaalltag? Dann stöbert im Archiv und folgt mir auf Facebook, bei Instagram oder Pinterest– ich freue mich auf Euch!
Hey Natalie,
Lach hast du mich beschrieben, für immer die glückliche Rabenmutter. Es, hat etwas gedauert jetzt nehme ich es sportlich und mit Humor und wenn das Kind sagt du bist beste Mama, einfach so, dann hab ich bis jetzt für uns vielleicht doch einiges richtig gemacht.
Lg
Hihi, ich bin auch diese Mama mit dem Vollzeitjob. Trotzdem finde ich es wichtig, präsent zu sein wenn ich mit den Kids unterwegs bin. Jede:r kann es doch so handhaben, wie es für einen selbst passt. Mütterbashing finde ich furchtbar, egal ob es um die Arbeit, Ernährung oder Erziehung geht…
Liebe Grüße,
Simone
Leider kommen diese Kommentare meist von anderen Frauen. Wir sprechen so viel über Feminismus und Sexismus, aber kaum über internalisierte Misogynie.
Frauen haben den Sexismus, die alten festgezurrten Rollenbilder, wie eine Frau zu sein hat, übernommen.
Noch schlimmer: um in eben dieses Bild zu passen und Männern zu zeigen, wie toll sie die Rolle erfüllen und somit besseres Partnermaterial abgeben, machen sie andere Frauen schlecht und klein. Ohne zu merken, wie sie in die Sexismus-Falle tappen. Es ist wirklich bitter. :/
Ja, das ist leider noch immer sehr verbreitet, dieses alte Rollenbild. Ich als Superpapi arbeite nämlich nur 80%, meine Frau als Rabenmutter aber viel zu hohe 80%.
Selbst von Freunden höre ich oft, wie toll es doch sei, dass ich nur 80% arbeite. Meine Frau hingegen hat sowas noch nie gehört…
Das hatte auch mich schon mal inspiriert einen Beitrag zu genau diesem Thema zu schrieben: https://www.querdurchdenalltag.com/rabenmutter-und-superpapi
Liebe Grüsse vom Superpapi – auch im Namen der Rabenmutter ;-)
Stefan