Gastbeitrag: „Nun sitzen wir hier und atmen tief durch um den Kloß in unserem Magen kleiner werden zu lassen“

Corona hat uns Eltern das Leben schwer gemacht – folgenlos blieben die vergangenen Monate wohl bei kaum jemanden von uns. Um zu zeigen, wie es Eltern in dieser Zeit geht, lasse ich auf dem Blog immer wieder gerne andere Mütter zu Wort kommen. Letzte Woche hatte ich ein Interview mit Sarah, die ihre Selbständigkeit aufgeben musste. Diese Woche habe ich Vera interviewt, die von der Corona-Krise ebenfalls vor große Herausforderungen gestellt wurde. Gemeinsam mit Lisa veranstaltet sie seit sechs Jahren die Märkte „Zwergenkram“ und „Deernskram“ in Schleswig-Holstein: „Unsere Märkte sind Plattformen für Secondhand, Handmade & Regionales, uns geht es insbesondere um den Nachhaltigkeitsaspekt sowie die Vermarktung/Unterstützung von regionalen Labels. Feste Locations finden sich in Lübeck, hier leben und arbeiten wir im Homeoffice, sowie in Kiel, Flensburg und Rendsburg.“ Der Corona-Lockdown hat ihre Selbständigkeit von einem Tag auf den anderen auf 0 heruntergefahren – und wann es wieder weitergeht, ist nicht in Sicht.

Inwiefern hat Corona Euch getroffen?

Vera: Da wir im Veranstaltungsbereich tätig sind, sind wir von 100 auf 0 von einem auf den anderen Tag quasi handlungsunfähig geworden, da wir seit März keine  Veranstaltungen durchführen dürfen und gerade nach den neusten Entwicklungen  ist es für den Rest des Jahres mehr als ungewiss ist, wie es mit unseren Veranstaltungen aussehen wird.

Wie habt Ihr den Lockdown zunächst erlebt – und wie hat sich die Stimmung und die Aussicht bei Euch verändert?

Vera: Wir haben es am Anfang ehrlich gesagt nicht so ernst genommen, wie wahrscheinlich viele. Irgendwann im März haben wir an unserem Schreibtisch gesessen und uns angeschaut und einvernehmlich unsere PCs runtergefahren und sind Kaffee trinken gegangen. Wir haben damals noch am selben Tag mit einem Dienstleister darüber gesprochen, mit welchem wir zusammen arbeiten, welcher ganz überrascht war, dass wir auch betroffen sind. Unsere Stimmung war zu dem Zeitpunkt noch ganz gut, da uns zwar klar war, dass wir vermutlich die Maiveranstaltungen absagen müssen aber so richtig manifestiert hatte sich das ganze Ausmaß damals bei uns noch nicht. Wir haben angefangen sehr eingeschränkt zu arbeiten, sprich 1x die Woche PC-Arbeit, da wir ja lediglich Rückabwicklungen und Anfragen zu bearbeiten hatten. Je länger der Lockdown anhielt, desto mulmiger wurde das Gefühl in der Magengegend. Der finanzielle Totalausfall, die Ungewissheit – wir sind nicht sicher ob wir es mit Humor nehmen sollten oder aber sich leichte Hysterie breitmacht. Im Moment lächeln wir noch tapfer aber das Geschäftsjahr 2020 haben wir tatsächlich so gut wie abgeschrieben.

„Es war ein Back to 50ies“

Was für Herausforderungen kamen neben den finanziellen noch hinzu?

Vera: Da wir beide ebenfalls Mütter sind, haben wir, wie die Meisten, die gesamte Kinderbetreuung übernommen und zwar 24/7. Bedingt dadurch, dass wir quasi nicht mehr gearbeitet haben, unsere Ehepartner aber normal weiter beschäftigt waren/sind, würde ich mal sagen, war es ein  „back to 50ies“. Wir haben enorm viel Zeit mit unseren Kindern verbracht, Homeschooling war an der Tagesordnung, da wir beide Kinder im Grundschulalter haben und ich noch ein Kindergartenkind habe. Der Haushalt und die Familienorganisation war ebenfalls auf einmal komplett bei uns – da wir ja nicht gearbeitet haben….

Glaubst Du, dass es sich schnell wieder normalisieren wird oder hat sich das in den vergangenen Wochen zu sehr verfestigt?

Vera: Ich glaube, es kommt tatsächlich auf den Bereich an und die Entwicklungen in den Sommerferien durch die Vielzahl der Touristen an unserer Küste. Des Weiteren im Herbst durch die Parameter, welche COVID-19, begünstigen. Die Veränderungen der letzten Monate haben deutlich gemacht, das Planbarkeit keine Konstante ist, mit der es zu rechnen gilt. Wir fallen unter Großveranstaltungen und da dort das Risiko als besonders hoch eingestuft wird, ist es so die Frage, inwieweit es sich schnell normalisieren wird. Wir wissen es nicht und es macht uns ausgesprochen unfroh.

„Wir versuchen das Beste draus zu machen“

Was für Unterstützung hättet Ihr Euch gewünscht?

Vera: Es ist ja niemand Schuld sondern es handelt sich vielmehr um höhere Gewalt, von daher nehmen wir die Situation wie sie ist und versuchen das Beste daraus zu machen.
 
Gab es etwas, das Euch besonders geärgert hat?

Vera: Die Gesamtsituation als solche ist natürlich sehr ärgerlich und als besonderen Punkt eben die Planlosigkeit sowohl beruflich als auch im Bereich der Kindergartenbetreuung bzw. im Schulwesen, aber letztlich sehen wir auch da Niemanden in der Rolle des Schuldigen.

Was war an den vergangenen Wochen die größte Herausforderung für Euch?

Vera: Schwierig waren das Absagen der Märkte, die plötzliche Arbeitslosigkeit und in meinem Fall das Homeschooling. Die Bewältigung des Unplanbaren war und ist tatsächlich die größte Herausforderung, insbesondere unter der Prämisse – wie lange dieser Zustand noch anhalten wird.

Wie war die Situation für Eure Kinder?

Vera: Ganz ehrlich, unsere Kinder hatten Spaß. Wir waren fast ausschließlich Outdoor unterwegs, natürlich im Rahmen der Vorgaben, aber letztlich haben sie lange geschlafen und viel gespielt. Die einzige Herausforderung haben die fehlenden Sozialkontakte dargestellt und sie haben ihre Freunde vermisst.

„Keine Ahnung, wie es weitergeht. Aber wir schaffen das.“

Wie sind die Aussichten, welche Pläne habt ihr –  könnt Ihr überhaupt etwas planen?

Vera: Unsere Aussichten in naher Zukunft sind leider nicht sehr positiv, insbesondere in Bezug auf die neuesten Erlasse der Bundesregierung. Aktuell können wir nur in sehr kurzen Zeiträumen planen, z.B. ist noch völlig unklar inwieweit unsere Septemberveranstaltungen durchführbar sind. Selbstverständlich halten wir unsere Aussteller/Besucher hier auf dem Laufenden, sind aber eben an die Vorgaben der Bundes/Landesregierung gebunden. Zur Zeit dürfen Indoorveranstaltungen lediglich bis 100 Personen durchgeführt werden, weshalb wir nicht veranstalten dürfen. Natürlich erreicht uns oftmals der Hinweis, das wir ja einfach Outdoorveranstaltungen durchführen könnten, jedoch sind auch diese auf max. 250 Personen inkl. Aussteller beschränkt, weshalb es in keinem Falle wirtschaftlich ist, eine derartige Veranstaltung zu planen und letztlich durchzuführen. Leider begehen die Bundesländer keinen einheitlichen Weg , da z.B. in NRW die Untergrenze bei 5000 Personen liegt. Natürlich liegt uns auch die Gesundheit all unserer Aussteller/Besucher am Herzen, weshalb wir auch hier lediglich die Entwicklung der Pandemie abwarten können. Es hat ja letztlich keiner einen Nutzen davon, wenn sich auf Veranstaltungen angesteckt wird.

Wie ging es Euch in den letzten Wochen?

Vera: Ich habe diese Frage jetzt schon 3x versucht zu beantworten und irgendwie scheitere ich daran. In den letzten Wochen ging es uns eigentlich gut, unsere Familien und wir sind Gesund was ja letztlich die Hauptsache ist. Aber irgendwie klingt es so profan, wenn ich das schreibe. Es mag auch damit zusammenhängen, dass ich jetzt diesen ganzen Text geschrieben habe und mir noch einmal selbst verdeutlicht habe, was das Ganze für uns bedeutet. Zum Einen möchten wir gerne arbeiten, wir arbeiten sehr gerne und haben Spaß an dem was wir machen. Zwergenkram/Deernskram ist unser berufliches Baby und wir lieben die Atmosphäre auf den Veranstaltungen, wenn die Besucher hineinströmen und unsere Aussteller glücklich sind. Vor der Tür oder im Gastrobereich werden die geshoppten Teile begutachtet und das mit einer Freude, das es einem Emo wie mir schön häufig die Tränen in die Augen getrieben hat. Ich liebe diese Momente! Und genau das dürfen wir jetzt nicht erleben und das trifft uns hart.
Wir haben über die Jahre sehr viel Zeit, Arbeit und Herzblut investiert und 2020 sollte unser Jahr werden. Die ersten 2 Monate sind großartig angelaufen, die Veranstaltungen waren toll und super besucht und dann kam Corona! Ja, die letzten Monate waren schön – die Zeit mit den Kindern war toll, gut das Homeschooling nicht so aber das ist ja ggf. mein persönliches Ding. Ich bin nun mal nicht Geduldigste plus mein geliebtes Schulkind ist mir hier sehr ähnlich, was hier sicherlich nicht hilfreich war – aber Schwamm drüber.
Nun sitzen wir hier und atmen tief durch um den Kloß in unserem Magen kleiner werden zu lassen und um keine Tränen zu verdrücken. Wie es uns aktuell geht? Keine Ahnung, mal gut, mal weniger gut ABER wir schaffen das. Wir planen bereits 2021/2022 und wir werden bis dahin durchhalten.

Ich drücke Euch die Daumen, dass Ihr bald wieder weitermachen könnt, in welcher Form auch immer! Ich selber mag  Zwergenkram und Deernskram auch immer sehr und hoffe, dass es für Euch eine Lösung gibt. Da hier ja auch viele Schleswig-Holsteinerinnen mitlesen: Aktuelle Neuigkeiten könnt Ihr auf der Instagramseite von Zwergenmarkt und Deernskram lesen oder auf den Facebook-Seiten von Zwergenkram und Deernskram. 

Kennt Ihr mein Kochbuch? „Das Familienkochbuch für nicht perfekte Mütter“ – dort findet Ihr viele weitere Rezepte – unkompliziert nachzukochen und zu backen!

Kennt Ihr auch  meine anderen Bücher?

 „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel

Willkommen bei der ganznormalenMama! Wollt Ihr familienfreundliche Reisetipps? Oder kinderleichte Rezepte? Oder Lustiges, Nachdenkliches aus dem Mamaalltag? Dann stöbert im Archiv und folgt mir auf Facebook, bei Instagram oder Pinterest– ich freue mich auf Euch!

Beim Kommentieren stimmt Ihr meiner Datenschutzerklärung (siehe Menü) zu.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.