„Dann hättet ihr halt keine Kinder bekommen sollen“ – ein Satz, der mich so wütend macht

Die sozialen Medien sind voll mit Wasserstandsmeldungen von Eltern, die verzweifeln am täglichen Spagat zwischen Kinderbetreuung und Home Office. Das Geld will verdient werden, die Kinder wollen betreut werden. Dann wären da ja auch noch die Hausaufgaben der Schulkinder, die gemacht werden wollen. Vom Haushalt, der ebenfalls dazwischen grätscht, will ich gar nicht erst anfangen. Der ist auf der Prioritätenliste längst ganz ans Ende gerutscht. Viele Eltern sind mit den Nerven am Ende. Und machen sich Luft. Besonders hilfreich sind dann die Kommentare, die in letzter Zeit immer wieder aufpoppen, egal ob bei Facebook, Instagram oder Twitter (nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen, vielen anderen Eltern, die sich Luft machen): „Das hättet ihr vorher wissen müssen, bevor ihr euch für Kinder entscheidet.“ Oder „dann hättet ihr halt keine Kinder bekommen sollen“. Uff! Das sitzt. Totschlagargument. Auch immer wieder gern genannt: „Wer sich nicht um seine Kinder kümmern möchte und von der Fremdbetreuung abhängig ist, sollte keine bekommen.“ Uff. Darf ich mal kurz schreien?! Danke. Ich würde jetzt auch gerne ein schlimmes Wort benutzen, dass ich sonst eher selten sage (empfindliche Ohren bitte weghören!): Ich könnte kotzen. Ja, ich könnte kotzen. KOTZEN. Wenn ich solche Kommentare lese. Das Problem: Diese Kommentare werden immer mehr. Nicht nur bei meinen Posts. Sie greifen um sich und man hat fast den Eindruck, als spalte sich die Gesellschaft. Kinderlose vs. Eltern. Oder haben diese Trolle gar Kinder? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Es nervt kolossal.

„Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du Kinder bekommen hast.“ Klar. Ich hätte damals vor neun Jahren mich gedanklich auf diese Pandemie einstellen sollen. Was wäre wenn, es irgendwann solange die Kinder klein sind, eine weltweite Pandemie gibt, bei der alle Schulen und Kindergärten schließen, die Spielplätze ebenfalls und man zuhause nicht nur arbeiten sondern auch noch einem Schulkind bei den Hausaufgaben helfen und ein Vorschulkind und ein Krippenkind bei Laune halten muss?

Ganz ehrlich: Selbst wenn ich dieses Gedankenexperiment durchgespielt hätte (von wegen immer an das Worst Case Szenario denken und so, liegt ja auch auf der Hand, dass jederzeit so ein Fall eintreten könnte, Ironie off), ich hätte mich immer wieder, IMMER WIEDER, ohne zu zögern und aus vollem Herzen für meine Kinder entschieden. Für alle drei. Und ich hätte mich auch immer wieder für meine Arbeit als freiberufliche Journalistin entschieden.  Denn meine Kinder haben mein Leben so unglaublich bereichert, dass man es nicht in Worte ausdrücken kann. Sie sind wunderbar, sie sind wertvoll, sie bringen mich jeden Tag zum Lachen – und ganz ehrlich, ohne meine Kinder wäre der Lockdown noch viel schwerer zu ertragen gewesen! Ich liebe meine  Kinder über alles und sie zu haben ist alle Mühen, allen Stress, alle Nerven wert.

Aber: Man darf doch mal sagen, dass alles ein bisschen viel ist grad. Ist ja nicht wirklich eine normale Situation. Nicht wirklich eine normale Belastung. Sondern ein Ausnahmezustand. Der uns Eltern fünf Arme und drei Gehirne abverlangt. Der uns an unsere Grenzen bringt. Und es ist wichtig, dass wir uns beklagen. Dass wir darauf aufmerksam machen, wie es uns geht, was noch geht und was nicht mehr geht. Damit wir nicht vergessen werden (denn das wurden wir Eltern, besonders unsere Kinder, tatsächlich lange in den Corona-Diskussionen). Damit man uns sieht. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, es ist unsere Pflicht, darauf aufmerksam zu machen, dass wir am Limit sind. Viele Eltern litten lautlos, vielen fehlte sogar die Kraft, ja ganz profan die Zeit, laut zu sagen, was los ist, was fehlt, was nicht mehr geht. Doch wer leise ist, wer schweigt, wird leider oft überhört.

Und damit sich etwas ändert, muss man gehört werden.

So einfach ist das.

(womit ich nicht sagen möchte, dass ich weitere Lockerungen möchte, mir ging das alles etwas zu schnell mit dem Öffnen, aber das ist ein anderes Thema, das würde in diesem Text den Rahmen sprengen… ich wollte diese schnellen Lockerungen nicht – wohl aber ein Konzept. Und auch jetzt bei den Öffnungen fehlen mir Konzepte, vor allem einheitliche Konzepte, die gleiche Chancen und gleichen Schutz bieten. Ja, der Schutz fehlt mir, der Schutz der Kinder, der Lehrer, der Erzieherinnen, der Eltern. Aber das führt zu weit, mir geht es in diesem Text um anderes, nämlich um die nervigen, unsäglichen Kommentare und Anfeindungen an uns Eltern in den sozialen Medien!)

Wir Eltern dürfen uns also nicht beklagen, wenn es nach den Trollen geht. Wir hätten das ja wissen müssen, bevor wir Kinder bekommen. Wir sind ja selbst Schuld an unserer Lage. Und überhaupt, wir sollen uns nicht so anstellen, das kann ja nicht so schlimm sein, sich mal ausgiebig um seine eigenen Kinder zu kümmern.

Mit Verlaub: Diese Kommentare sind wie eine Ohrfeige.

Wir Eltern geben täglich unser Bestes. Aber wir können uns nun mal nicht dreiteilen. Der Tag hat nur 24 Stunden. Aber das, was wir nun machen müssen, passt einfach nicht in diese 24 Stunden hinein. Ich mache seit eh und je Home Office und wenn die Kinder krank waren, kam ich auch einige Tage lang klar damit, gleichzeitig die kranken Kinder zu betreuen und meine Arbeit zu erledigen. Aber jetzt über Wochen hinweg alle drei Kinder zuhause zu haben und dazu noch den Großen bei den Schulaufgaben zu betreuen (es sind halt nicht nur Wiederholungsaufgaben, es muss auch völlig neuer Stoff vermittelt werden) – das ist ein riesiger Spagat. Bei dem man manchmal an seine Grenzen geht. Und wenn man das dann mal erwähnt und dafür ein „dann hättest du halt keine Kinder bekommen sollen“ an den Kopf geklatscht bekommt, dann ist das einfach unverschämt. Zum Kotzen.

In den Sommerferien habe ich meine Kinder auch sechs Wochen am Stück um mich. Und keine Probleme damit. Weil wir Ferien haben. Keine Hausaufgaben. Weniger Arbeit am Schreibtisch. Dafür Ausflüge. Natur. Ausschlafen. Keine Verpflichtungen. Andere Kinder. Strand. Wald. Und das Wissen, nach sechs Wochen habe ich wieder meine fünf Stunden am Tag ganz in Ruhe am Schreibtisch und meine Kinder ihre Freunde im Kindergarten und der Schule. Das zu wissen tut auch gut.

Wir Eltern geben uns Bestes. Tag für Tag. Umso mehr schmerzt es, wenn wir solche frechen Kommentare um die Ohren gehauen bekommen. Was wisst Ihr Trolle denn schon von unserem Leben? Was wisst Ihr von den Hintergründen? Wir kennen nie alle Hintergründe. Also sollten wir uns eine Meinung verkneifen.

Ich habe es erst mit der Ignorieren-Strategie probiert. Trolle wollen Aufmerksamkeit, ich versuchte keine zu geben. Aber die Trolle wurden immer mehr. Das Internet ist voll mit diesen unverschämten Kommentaren, wohin man schaut. Sie wollen provozieren, sind selbst gefrustet oder gelangweilt, ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Es nervt. Es reicht. Dieser Ausnahmezustand ist für keinen leicht – da ist es wenig hilfreich, wenn man uns auch noch mit solchen Kommentaren kommt.

Deshalb sollten wir Eltern uns gegenseitig unterstützen. Zusammenhalten. Statt uns auch noch gegenseitig das Leben schwer zu machen. Wir machen das gut. So gut es geht. Und das ist es, was zählt. Egal, was die anderen sagen.

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13 Kommentare zu “„Dann hättet ihr halt keine Kinder bekommen sollen“ – ein Satz, der mich so wütend macht

  1. Auch schön, die Kommentare, die ich schon öfters gehört habe: „Endlich müssen die Eltern auch mal was tun und können nicht alles der Kita und der Schule überlassen.“ Da bleibt einem echt mal kurz die Luft weg. Als hätte man all die Jahre die Kinder vernachlässigt, weil sie ein paar Stunden am Tag in die Kita gehen, dort Freunde finden, Gemeinschaft erleben, und und und? Unglaublich.

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