Ist es wirklich so schlimm, mit den Kindern zu schimpfen? Mal ehrlich jetzt!

Wenn man die Kommentare in den Sozialen Medien anschaut, bekommt man den Eindruck, als würde die Eltern vor allem ein Thema umtreiben: Das Schimpfen. Auch mehrere  Ratgeber befassen sich mit dem Thema Schimpfen – und geben Tipps, wie man eben nicht schimpft. Immer wieder lese ich dieselben  Fragen: „Schimpfe ich Zuviel? Hilfe, wieder zu viel gemeckert? Wieso schaffe ich es nicht, die Tipps umzusetzen? Bin ich eine schlechte Mutter, weil ich manchmal schimpfe?“ Besonders die letzte Frage macht mich fuchsteufelswild. „Nein!“ möchte ich da jedes Mal rufen, wenn ich sie lese (und ich lese sie zurzeit sehr oft, diese Frage nach der schlechten Mutter). Nein, niemand ist eine schlechte Mutter, nur weil man manchmal schimpft. Nein! Ihr seid nicht alleine! Nein, bei vielen anderen läuft es auch nicht besser! Denn: Schimpfen ist normal. Wir alle schimpfen mal. Es kommt doch nur aufs Wie an. Ich vergleiche es immer mit Nudelnkochen: Besser kurz mal den Deckel anheben und Dampf ablassen, bevor alles überkocht. Und das kann Schimpfen nämlich auch sein. Einfach ein Ventil zum Dampfablassen.

Eins schicke ich vorweg: Es ist nicht okay, seine Kinder verbal zu verletzen. Denn auch Wörter können verletzen, wie sehr, wird oft unterschätzt. Es ist nicht okay, seine Kinder zu demütigen, sie herabzusetzen oder mit Wörtern niederzumachen. Vor Ausdrücken wie „immer machst du“, „du lernst es nie“, „bist du eigentlich zu blöd?“, „wie schaffst du es immer nur“ und ähnlichem sollten wir uns hüten. Wir sollten auch nicht so etwas sagen wie „du bist so nervig“  – auch wenn es einem ein ums andere Mal auf der Zunge liegt. Denn nicht das Kind ist nervig – wir sind genervt von dem Verhalten des Kindes und das ist ein Unterschied! Das sollten wir dann auch lieber so sagen: „Ich bin echt genervt davon, dass du immer deine Schuhe im Weg liegen lässt“. Und dass wir unsere Kinder nicht mit Schimpfworten und anderen demütigen Dingen benennen, ist sowieso klar.

Aber: Nie schimpfen halte ich für utopisch. Ich bin mir sogar sicher, dass Schimpfen, sich aufregen, mal meckern was durchaus Normales, was Menschliches ist. Wir regen uns doch auch über andere Dinge auf, die Frau an der Kasse, den Autofahrer vor uns oder unseren Partner. Wieso sollten wir uns dann ausgerechnet nicht über unsere Kinder aufregen? Und je nach Mentalität und Temperament regt sich der eine halt stiller und mehr für sich auf und der andere explodiert mehr – und meckert hat etwas lautstärker. Völlig normal. Finde ich.

Schimpfen mit Kindern - ist es wirklich so schlimm? Kolumne.
Ich habe viele Tipps gelesen, wie man Schimpfen verhindern soll. Ich mag mein eigenes Mecker-Ich auch nicht, ich mag diese schrille Stimme nicht, die die Meckermami in mir hat, ich will mich oft auch gar nicht aufregen. Ich versuche es auch zu vermeiden, wende viele Tipps an und wer mich kennt, weiß, dass ich auch schon mal wie gackernd wie ein Huhn im Kreis herumlaufe und gackgack mache, um die Situation zu entschärfen. Aber manchmal kann halt auch ein Donnerwetter die Situation entschärfen. Manchmal tut es gut, einfach mal die Luft rauszulassen und sich den Ärger von der Seele zu meckern: „Oh Mann, mich nervt dieses Chaos im Wohnzimmer so sehr, können wir jetzt alle mal aufräumen? Auch ihr Kinder? Ich möchte es nicht zehnmal sagen müssen“ So, diesen Satz kann man jetzt nett-verständnisvoll, auf Augenhöhe sagen. Oder aber so wie ich nach einem stressigen Nachmittag, wo man diesen Satz gefühlt 100 mal gesagt hat, mit lauter Meckerstimme und wütend in die Hüften gestemmten Fäusten.

Oh Mensch. Schon wieder gemeckert. Ja. Aber war das jetzt so schlimm? Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Nö. Finde ich.

Einfach eine menschliche Reaktion. Die meine Kinder auch einordnen können: „Oh, jetzt regt sich Mama aber wirklich auf, nun haben wir übertrieben.“

Oder vorm Insbettgehen, wo bei uns die Kinder gerne noch mal richtig aufdrehen und statt sich umzuziehen Supermansprünge aufs Bett machen und ich einfach nur aufs Sofa will und etwas Ruhe möchte. Da kann ich einfach nicht mehr verständnisvoll sagen „ich verstehe ja, dass du gerne noch etwas spielen möchtest.“ Ich kann auch irgendwann nicht mehr mitlachen und die Socken auf den Kopf setzen und nein, es fehlt mir auch die Kraft, ihnen zum 100. Mal meine Bedürfnisse zu erklären. Nein. Da kommt die Meckermami halt zu Besuch und lässt ihr schrilles Meckern ertönen: „Es reicht jetzt echt! Ab in die Schlafanzüge, dann ins Bad, Zähne putzen, je schneller umso besser, das geht alles von der Vorlesezeit ab!“ Das verstehen sie dann auch. Je länger sie zum Fertigmachen brauchen, umso weniger Zeit bleibt fürs Vorlesen, logisch. Ja, ich werde dabei auch mal laut. So laut, dass die Nachbarn es hören.

Und ja,  manchmal packt mich dann beim Anblick der schlafenden Kinder das schlechte Gewissen. Aber andererseits: Nach dem Schimpfen wird gemütlich vorgelesen, wir kuscheln, sagen uns ,wie lieb wir uns haben und das Schimpfen ist vergessen.

Ich finde: Da muss ich kein schlechtes Gewissen haben.

Wir Eltern sind nur Menschen. Wir haben unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse, wir sind doch keine Roboter. Wir können nicht rund um die Uhr wie aus dem Lehrbuch agieren. Manchmal kann man einfach nicht mehr verständnisvoll sein. Und Kinder können einen einfach zur Weißglut treiben. Ist so. Denn auch Kinder verhalten sich nicht wie im Lehrbuch, sind ja auch keine Roboter. Was im Ratgeberbeispiel funktioniert, klappt im echten Leben nun mal nicht immer. Oder bei manchen auch gar nicht.

Und da ist es dann, das schale Gefühl, dass sich dann einstellt. Wieso klappt es bei mir nicht? Was mache ich falsch? Was ist an einem Kind falsch? Zack ist es da, das schlechte Gewissen. Noch schlechter als nach einem Schimpfen. Das Versagensgefühl.

Ist es schlimm mit Kindern zu schimpfen? Wirso Mütter kein schlechtes Gewissen haben müssen

Und das ist doch Blödsinn!

Wir sind doch keine schlechten Mütter, nur weil wir mal schimpfen. Weil wir keine Roboter sind. Weil unsere Kinder keine Roboter sind. Weil wir Menschen sind. Und weil es nun mal schlicht beknackt ist und nicht geht, dass die Kinder auf der steilen Treppe Fangen spielen, weil die Treppe schlicht zu steil ist und sie beim Runterfallen ernsthaft verletzt wenn nicht sogar tot sein könnten. So!

Das habe ich meinen Kindern oft erklärt. Verständnisvoll. Auf Augenhöhe. Sie wissen es auch. Sie sind auch alt genug, um den Zusammenhang zu verstehen. Aber manchmal vergessen sie es und machen es trotzdem. Und hören auch nicht auf, wenn man es auf die nette Tour versucht. Drehen noch mehr auf. Lassen es nicht, egal, welche Lehrbuch-Methode man anwendet. Dann erhebe ich halt meine Stimme. Und ja, ich erhebe sie ein bisschen mehr. Und ja, ich rege mich tierisch auf.

Abgesehen davon: Auch wir Mütter haben unsere Bedürfnisse. Und wenn die massiv eingeschränkt sind, wenn unsere Kinder nicht merken, dass sie permanent eine Grenze überschreiten und alle in Beziehung tretenden Appelle nicht fruchten: Dann darf man auch mal explodieren. Um unsere eigenen Bedürfnisse zu wahren. Um einfach mal in Ruhe 5 Minuten auf Klo zu sitzen! Verdammt noch mal! Das wird ja wohl noch drin sein!

Und dann will ich auch nicht, dass mir ein schlechtes Gewissen gemacht wird, für eine zutiefst menschliche Regung.

Aber eines ist wichtig: Wie ich anfangs schrieb. Keine Demütigung, kein Runterputzen, keine Verletzung. Wie hat mein Sohn  so schön in der Schule gelernt: Ich-Botschaften senden. „Ich bin jetzt echt genervt und ich brauche jetzt fünf Minuten für einen Kaffee“ statt „Ihr seid echt nervig“.

Also: Macht Euch nicht verrückt, wenn Ihr mal meckert. Fühlt Euch nicht schlecht, nur weil Ihr einfach nicht mehr verständnisvoll oder humorvoll reagieren könnt, wenn zum 10. Mal die Jacke einfach in den Flur geworfen wird. Ihr seid nicht allein. Und ganz ehrlich: Auch die Mutter aus dem Kindergarten, die immer so lustig mit ihren Kindern umgeht und so gelassen in der Garderobe wartet, bis der Sohnemann die Schuhe anhat – auch diese Mutter meckert mal. Glaubt mir!

Abgesehen davon: Wie ist es für Kindern, wenn zuhause nie gemeckert wird, sie nie Frust kennenlernen und merken, wenn jemand an seiner Belastungsgrenze ist – wie ist es für diese Kinder, wenn sie im Kindergarten oder der Schule zum ersten Mal mit Schimpfen konfrontiert werden? Wenn fremde Personen schimpfen? Denn auch der Umgang mit einer schimpfenden Person will gelernt sein und gehört nun mal zum Leben dazu. Ich würde sogar sagen: Es ist eine Sozialkompetenz.

Von daher: Lasst Euch kein schlechtes Gewissen einreden!

Aber … wenn Ihr selbst meckert und schimpft, müsst Ihr es auch Euren Kindern zugestehen. Gleiches Recht für alle. Und dabei könnt Ihr Eurem Kind gleich die Schimpfregeln beibringen!

Willkommen bei der ganznormalenMama! Wollt Ihr familienfreundliche Reisetipps? Oderkinderleichte Rezepte? Oder Lustiges, Nachdenkliches aus demMamaalltag? Dann stöbert im Archiv und folgt mir per Email,  auf Facebook, bei Instagram oder Pinterest– ich freue mich auf Euch!

Kennt Ihr schon meine Bücher?

  Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein: Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter 

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Ganz neu: „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.

10 Kommentare zu “Ist es wirklich so schlimm, mit den Kindern zu schimpfen? Mal ehrlich jetzt!

  1. Meiner Meinung nach lernen Kinder sonst auch nicht, wie sie selbst richtig schimpfen, werden vielleicht sogar zu Erwachsenen, die ihren Frust in sich hineinfressen und niemandem sagen können, dass sie gerade etwas stört.
    Ein lauter Tonfall signalisiert ja auch, dass die Kinder eine Grenze übertreten haben. Ich denke, der muss in gefährlichen Situationen oder bei gar zu frechem Verhalten manchmal sein, damit rüberkommt, dass es so nicht geht. Natürlich nicht dauernd und es soll auch nicht in großes Gebrüll ausarten. Aber zu gegebener Zeit zu schimpfen, finde ich richtig und sogar wichtig.

    Liebe Grüße!

  2. So sehe ich das auch. Wir Mütter sind doch keine Maschinen. Und was ich genauso sehe ist aber das „wie“ : mich demütigend, erniedrigend, schlecht machend.

  3. Ich sehe das genauso! Und: auf der einen Seite heißt es, man soll nicht schimpfen und auf der anderen Seite soll man möglichst authentisch sein und den Kindern einen guten Umgang mit ihren Gefühlen beibringen. Und spätestens da komme ich an meine Grenzen. Denn ich finde es erstens nicht authentisch, wenn ich innerlich kurz vorm Platzen bin, lieb zu lächeln und zweitens weiß ich nicht, wie ich meinen Kindern beibringen soll, wie man mit seinen Gefühlen umgeht, wenn ich meine eigenen unterdrücke. Ich kann meinen Kindern meiner Meinung nach am besten beibringen, wie man seinen Unmut deutlich macht, ohne dabei andere verbal oder gar körperlich zu verletzen, wenn ich ihnen zeige, wie es geht. Und dazu gehört eben auch, zu sagen, ich bin genervt, ich will dieses oder jenes jetzt nicht und dabei auch mal lauter zu werden. Und mir dürfen die Kinder gerne auch sagen, wenn sie finden, ich war ungerecht oder wenn sie von mir genervt sind: machen sie auch :-).

    • Das finde ich auch wichtig: wenn wir uns das Recht raus nehmen zu schimpfen, müssen wir es unseren Kindern auch zugestehen, dass sie mal schimpfen und meckern dürfen.

  4. Danke! Ehrlich danke für deinen Text! Ich sehe mich oft selbst in der Meckerschlange gefangen und sitze ein paar Minuten später da und frage mich, was ich besser hätte machen können. Aber meist ist diese kurze Explosion das, was auch meine Kinder brauchen als Schuss vor den Bug.

Beim Kommentieren stimmt Ihr meiner Datenschutzerklärung (siehe Menü) zu.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.