Trödelnde Kinder: Wieso sie nicht anders können und was hilft

Wenn es etwas gibt, was mich manchmal zur Weißglut treibt, sind es meine trödelnden Kinder. Es ist unglaublich, wie lange man brauchen kann, um sich ein Paar Schuhe anzuziehen! Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass man eine halbe Stunde seine Zahnbürste in der Hand angucken kann ohne damit die Zähne zu putzen. Wenn mir jemand früher erzählt hätte, dass ein Weg von 200 Metern mit Kindern schnell mal eine Sache von 45 Minuten wird, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Nun, meine Kinder haben mich eines besseren belehrt. Es ist eine Art Gesetz: Je eiliger man es hat, umso mehr trödeln die Kinder. Kennt Ihr es auch? Die gute Nachricht: Sie machen es nicht absichtlich. Sie wollen einen nicht in den Wahnsinn treiben. Es ist schlicht entwicklungspsychologisch bedingt. Bis zu einem Alter von etwa acht Jahren haben Kinder nämlich ganz einfach kein richtiges Zeitgefühl. Erst mit 10 Jahren ist ihr Zeitgefühl so ausgeprägt wie bei Erwachsenen. Bis dahin wissen sie nicht, was Pünktlichkeit wirklich bedeutet und was dieses Beeilen nun wirklich ist. Ja, wirklich erst mit 10 Jahren!

Als ich für mein Buch „Afterwork Familie: Wie du du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst“ zum Thema Trödeln recherchierte, stieß ich auf die spannende Studie des Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget, der feststellte, dass Kindergartenkinder Dinge wie Reihenfolge, Dauer, Geschwindigkeit und Gleichzeitigkeit noch nicht miteinander in Verbindung bringen können. Sie können dadurch nicht einschätzen, wie lange eine Tätigkeit dauert oder was „in zehn Minuten beginnt der Morgenkreis“ eigentlich genau bedeutet und was es für Konsequenzen auf das eigene Handeln hat. Kinder leben im Hier und Jetzt – das ist der Zeitpunkt, der für sie zählt. Eigentlich eine schöne Sache, um die ich Kinder wirklich beneide! Wir Erwachsenen sollten häufiger mal in diese Sichtweise der Kinder eintauchen.

Wenn Eltern sagen „beeile dich“ verstehen Kinder diese Aufforderung nicht. Besonders schwer fallen ihnen dabei die Übergänge von eine Tätigkeit zur nächsten. Und genau das sind die Situationen, bei denen es stressig wird mit Kindern und zu Streitereien kommt. Wenn man vom Kindergarten zum Turnen will, vom Frühstück zum Kindergarten, vom Spielplatz nach Hause. Was bei diesen Übergängen hilft: Rechtzeitiges und wiederholtes Ankündigen, verbunden mit dem Hinweis, was als Nächstes folgt. Also: Nach dem Losmüssen folgt das Anziehen der Jacke, der Schuhe und dann das Verlassen des Hauses und dann der Gang zur Bushaltestelle.

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Aber was hilft generell beim Umgang mit der Trödelei? Denn den Terminen der Kindergartenkinder und Stundenplänen der Grundschüler ist es egal, ob die Kinder entwicklungspsychologisch wissen, was Beeilen bedeutet. Was auf jeden Fall nicht hilft: Drängeln und Ermahnen. Auch wenn einem verständlicherweise danach ist! Diese Appelle verhallen ungehört und bewirken meist das Gegenteil. Ganz abgesehen davon, dass unser Stress auf unsere Kinder abfärbt und sie noch mehr unter Druck setzt. Der Stress und die schlechte Stimmung schaukeln sich hoch – schneller geht es dadurch kein bisschen voran. Also erste Maßnahme in Sachen Trödelnde Kinder: Ruhe bewahren.

Das Geheimrezept bei trödelnden Kindern gibt es leider nicht. Und der Trick, der heute funktioniert, kann morgen schon nicht mehr klappen. Aber einige kleine Tricks gibt es dennoch, um die Kinder zu etwas mehr Eile zu motivieren. Zum Beispiel lassen sich wiederkehrende Abläufe mit den Kindern trainieren. Am besten in kleine Häppchen unterteilen, so dass sie auch behalten werden. Also erst Schuhe, dann Jacke, dann Mütze, dann aus dem Haus gehen.

Ihr könnt euren Kindern auch helfen, ein Zeitgefühl zu entwickeln. Das Leben im Hier und Jetzt ist zwar schön und wertvoll, aber leider kommt unsere Gesellschaft nicht ohne Termine, Busfahrpläne und Schulstunden aus. Eine Sanduhr hilft, das Vergehen der Zeit anschaulich zu machen. Wenn die Sanduhr durchgelaufen ist, musst du dich anziehen und aus dem Haus. Ein Wecker als Aufbruchsignal, um das Haus zu verlassen, tut ebenfalls gute Dienste. Komischerweise hören Kinder auf so ein Signal meistens besser als auf alle Ermahnungen der Eltern…

Wenn Ihr Eure Kinder spielerisch zur Eile antreiben wollt, helfen auch kleine Spiele. Wie  „Wetten, dass ich schneller angezogen bin als du?“ Man kann dabei zum Beispiel auch die Klamotten wie eine lange Schlange im Haus verteilen und die Kinder müssen sich Stück für Stück anziehen – die Schlange endet dann vor der Haustür. Auf dem Weg zum Kindergarten kann man dann kleine Wettläufe unternehmen.

Wie ich schrieb, DAS Geheimrezept gegen das Trödeln Eurer Kinder gibt es nicht – aber eine Sache, die immer hilft: Genügend Zeitpuffer einplanen bei allem, was Ihr tut. Zeitpuffer für volle Windeln, Heißhungerattacken, Staus, verspätete Busse, spontane Regenwurmbeobachtungen und was sich sonst unterwegs so ergibt. Bei Wegstrecken solltet Ihr nie, nie, nie von Eurer Wegzeit ausgehen, sondern immer vom Tempo Eures Kindes! Besser man ist zu früh beim  Kinderturnen und trinkt dann noch einen Kaffee als immer auf dem letzten Drücker. Das macht niemanden eine Freude, weder Euch, noch Euren Kindern, noch den anderen Kindern und Eltern beim Kinderturnen. Plant Termine so, dass sie zu Euch und Eurem Tagesablauf passen – und nicht andersrum. Und wenn der Klavierunterricht oder das Reiten gerade nur mit Hetzerei zu erreichen ist, dann schaut doch nach einem anderen Unterricht oder wartet einige Monate, ob sich die Umstände ändern! Nicht Ihr richtet Euch nach den Terminen, die Termine richten sich nach Euch. Und Euren trödelnden Kindern.

 

Also, bleibt cool und gelassen, wenn Eure Kinder mal wieder trödeln, was das Zeug hält. Alles andere bringt tatsächlich nichts und ist eher kontraproduktiv. Auch wenn es mich manchmal echt zur Weißglut bringt! Aber mir hat tatsächlich am meisten die Erkenntnis geholfen, dass Kinder nicht trödeln, um uns zu ärgern. Sondern weil sie es schlicht nicht anders können, wie Piaget herausgefunden hat.

Was sind Eure Tipps im Umgang mit trödelnden Kindern?

Mehr Tipps zur Nachmittagsplanung und wie man mit trödelnden Kindern durch den Tag kommt, gibt es übrigens auch in meinem Buch „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst“. 

Kennt Ihr schon meine Bücher?

 „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel

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4 Kommentare zu “Trödelnde Kinder: Wieso sie nicht anders können und was hilft

  1. Meine 7jährige schafft das. Mein 10jähriger immer noch nicht…muss wohl mal Boss werden, weil er einen Assisstenten braucht, der ihn erinnert.
    Meine Erfahrung: es gibt auch ein zu früh erinnern. Dann nehmen sie die Ansage nicht ernst und verspielen sich nochmal.
    Das richtige Gleichgewicht suchen wir immer noch.

  2. Ich lese meiner 7jährigen die Eingangssätze Deines Beitrages vor, eine halbe Stunde für das Zähneputzen brauchen und so. Kind lacht sich kaputt. Sie sei erst 7, habe aber schon ein Zeitgefühl. Ich schicke sie Zähneputzen. Nach 10 Minuten schaue ich ins Bad. Kind steht singend vor dem Waschbecken, natürlich ohne Zähne geputzt zu haben… 🙈

  3. Ich lasse das Kind am Abend seine Sachen raussuchen und lege sie ins Bad. Das eigene Zimmer birgt zu viel Ablebkung :) mein Handywecker klingelt tatsächlich auch. Zum Zähneputzen, zum Anziehen, zum Aus-dem- Haus gehen. Und ich merke wenn ich noch rum laufe und letzte Sachen packe denkt das Kind es hat noch eeeewig Zeit. Bin ich angezogen und stehe und warte ist die Sache klarer und es geht etwas voran…..es hilft alles ein wenig, aber ich hab trotzdem die Obertrödeltante ;)

  4. Mir 10? Das passt bei meinem Großen nicht ;)
    Jeden früh der Nervenkitzel, ob er es ich bis vor die Haustür zum Bus schafft 😂

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