Es ist so schnell gemacht. Die Schuld bei anderen zu suchen. Es erleichtert vieles, wenn es einen Sündenbock gibt, wenn man einfach jemand anders die Schuld zuschieben kann. Man muss selbst keine Verantwortung übernehmen. Man hat schnell eine Erklärung für die Situation. Und man kann sich so herrlich darüber aufregen. Ah, ich gebe es zu: Es kann ja sogar Spaß bringen, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben und sich dann so herrlich darüber auszulassen! Ganz abgesehen davon, dass man sich selbst gleich viel besser fühlt. Aber noch besser fühle ich mich, seitdem ich nicht mehr nach dem Schuldigen suche. Was nicht bedeutet, dass ich die Schuld auf mich nehme – sondern dass ich ganz einfach, gar niemandem die Schuld in die Schuhe schiebe. Nicht mir. Nicht anderen. Denn ganz ehrlich: Es ändert doch in den meisten Fällen nichts an der Situation, wenn man die Schuldfrage klärt. Das Kind ist in den Brunnen gefallen und anstatt zu lamentieren, wer alles daran Schuld ist, ist es doch besser, sich einfach mal ans Werk zu machen und das Kind wieder rauszuholen, bevor es ertrinkt!
Die Suche nach einem Schuldigen ist nämlich einfach nur ein furchtbarer Energieräuber, habe ich festgestellt. Das Gehirn kreist um die Schuldfrage, anstatt sich mit der Lösung des Problems auseinanderzusetzen. Und da Multitasking ja bekanntlich nur ein Mythos ist, fehlen dem Gehirn dann die Kapazitäten, sich zu überlegen, wie man das Kind jetzt aus dem Brunnen rausholt.
Schon gar nicht solltet Ihr die Schuld übrigens Euren Kindern geben. Das passiert leider auch oft reflexhaft, habe ich festgestellt. Mein Sohn springt von der Schaukel und tut sich furchtbar weh. Der erste Gedanke, den ich immer ganz schnell verbanne: „Ich habe es ihm doch 1000 Mal gesagt. Selber Schuld, wenn er nicht auf mich hören will.“ Wie oft lag mir dieser Vorwurf auf der Zunge! Wie oft habe ich ihn ganz schnell runtergeschluckt. Mein Sohn weiß selbst, dass das eine blöde Idee war und was er jetzt braucht, sind nicht Schuldzuweisungen, sondern einfach eine dicke Umarmung und dann ist es auch wieder gut (nun, einmal war es damit nicht getan, da musste die Notaufnahme, eine OP und ein Gips her, aber das ist eine andere Geschichte…).
Im Alltag begegnen mir so viele Situationen, in denen ich mich ärgere. Die ich nicht selbst verursacht habe. Situationen, bei denen mir ein „Oh Mann, hättest du nicht aufpassen können“ auf der Zunge liegt. Den Kindern gegenüber. Dem Mann gegenüber. Der Freundin gegenüber. Und eben diesen Satz verkneife ich mir. Erstens, weil ich keine Lust auf einen Streit habe, ich bin furchtbar harmoniebedürftig und halte mich aus Zickereien meistens einfach raus. Zweitens, weil in den meisten Fällen es mein Gegenüber selbst weiß. Drittens, weil ich selbst nicht mag, wenn man mir die Schuld in die Schuhe schiebt. Und viertens: Weil es in den meisten Fällen echt irrelevant ist, wer Schuld ist. Und die Klärung der Schuldfrage nix ändert und zur Problemlösung beiträgt.
Ich bin ja schließlich kein Richter, ich muss niemanden hinter Gitter bringen oder ein Schmerzensgeld heraushandeln.
Da ich nur begrenzt Energie zur Verfügung habe (und seit ich Mutter bin, merke ich immer wieder schmerzlich, wie begrenzt diese Energie ist), konzentriere ich mich lieber darauf, wie man das Problem lösen kann und mache das Beste draus. Ich lasse das Lamentieren. Denn was bringt es, mich als Opfer darzustellen (sei es auch nur vor mir selbst). Klar, manchmal tut es richtig gut, sich darüber aufzuregen, dass die ganze Welt gegen einen ist und überhaupt einen alle nicht verstehen und man gar nichts dafür kann und überhaupt. Aber nach einmal gründlich die Welt verfluchen ist auch gut. Ärmel hochkrempeln und die Dinge anpacken. Nur so können wir sie ändern.
Was nicht bedeutet, dass wir uns selbst jetzt ständig und überall die Schuld zuweisen. Wenn wir selbst Schuld an der Lage sind, wissen wir das in der Regel. Nehmen das zur Kenntnis und reiten ebenso wenig darauf rum, wie darauf, wenn andere Schuld sind.
Wenn wir die Opferrolle verlassen, die Dinge selbst in die Hand nehmen und anfangen zu handeln, statt zu klagen, dann haben wir die Dinge nämlich wieder selbst in der Hand, dann können wir die Dinge beeinflussen. Und das fühlt sich viel besser an als jegliches passives Motzen!
Und die eingesparte Energie können wir dann für etwas Schönes einsetzen. Uns selbst was Gutes tun. Anderen was Gutes tun. Eis essen gehen.
Dass wir unser Leben selbst in der Hand haben, ist auch etwas, was ich meinen Kindern vermitteln möchte. Weshalb ich auch nicht an Sternzeichen und Horoskope glaube. Denn nicht unser Geburtsdatum oder Sternenkonstellationen bestimmen, wie unser Leben verläuft – sondern wir selbst!
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Liebe Nathalie,
damit hast du absolut recht. Meistens bindet es nur Energie. Nur an einem Punkt, sollte man die Taktik ändern, wie ich schon erfahren habe: Wenn Kollegen etwas verbockt haben und man selbst dann alle zusammentrommelt, das Projekt jetzt wieder gerade zu richten. Da speichern Chefs es gerne so ab, dass man Aktivismuus an den Tag gelegt hat, wahrscheinlich, um zu verschleiern, dass man selbst die Schuld trägt. Das kommt nicht so gut an, wenn man mehrfach in diese Rolle springt. Da muss man sich irgendwie klar von dem Vorfall disanzieren. Nur wie, das habe ich noch nicht so richtig herausgefunden.
Liebe Grüße von Ramona
Wieder so ein toller Artikel von Dir. Ich stimme Dir zu 100% zu. Leider schaffe ich es oft im Alltag nicht immer es so umzusetzen, weshalb Artikel wie dieser wieder in die richtige Richtung lenken. Tausend Dank.