Letztens erst wieder las ich einen Aufschrei, wie schlimm es ist, wenn Mütter ständig auf ihr Handy starren. Ja, ist es. Wenn sie dabei ihre Kinder vernachlässigen. Ein weinendes Kind nicht sehen, weil der Chat auf dem Handy grad wichtiger ist. Ja, es ist schlimm, wenn sie ihrem Kind, was sich gerade etwas von der Seele reden möchte, nicht beachten, weil sie noch schnell ein paar Herzen an Instagrambildern mit niedlichen Kindern verteilen müssen (und dabei das eigene, niedliche Kind gar nicht sehen). Aber trotzdem bin ich eindeutig für mehr Entspannung in Sachen Kritik an Handy-Mamas. Denn ich bin selbst eine. Beim Stillen nebenher am Handy herumtippen? Na klar. Auf dem Spielplatz ein paar Emails beantworten, während die Kinder mit ihren Freunden toben und mich ganz offensichtlich nicht brauchen? Natürlich -wieso nicht? Das Handy ist nicht nur mein Arbeitsinstrument, was mir meine freiberufliche Arbeit als Journalistin ungemein erleichtert -e s ist auch mein Kommunikationsmittel, meine Kontakt nach außen.
Da sitzt die Mutter auf dem Spielplatz und starrt nur auf ihr Handy! „Wie kann sie nur? Sie soll sich lieber um ihre Kinder kümmern! Die armen Kinder!“ Schnell wird gemeckert, wenn Mütter auf dem Spielplatz ihr Smartphone hervorholen. Die vernachlässigt ja ihre Kinder, das böse Wort mit dem Raben und der Mutter fällt, verächtliche Blicke kommen dazu. In den sozialen Netzwerken wird ebenso gerne gelästert über die Handymamas auf dem Spielplatz – von Müttern, die das natürlich auf ihrem Smartphone tippen.
Aber schaut Euch die Mutter doch mal genauer an! Ihre Kinder spielen selbstvergessen vor sich her. Wenn sie etwas von ihrer Mutter wollen, schaut die Mutter auf, spricht mit ihren Kindern, bestaunt die Sandburg, tröstet, wenn das Kind Bedarf anmeldet. Und widmet sich wieder ihrem Handy, sobald das Kind sich ins Spiel vertieft hat. Sie ist da. Ist das nicht das Wichtigste? Hätte sie ein Buch oder Stricknadeln in der Hand, das Lästern würde verstummen. Aber nein, es ist ein Handy und schon geht das Gezeter los!
Dass sie auf ihrem Handy noch ein paar Firmenemails beantwortet und nur dank dieser Möglichkeit, das hier auf dem Spielplatz zu machen, ihre Kinder eine Stunde früher aus dem Kindergarten abholen konnte – das will keiner wissen. Alle sehen nur das eine: eine Rabenmutter, der das Handy wichtiger ist als ihr Kind!
Dabei ist sie lockerer und liebevoller zu ihrem Kind als die engagierte Mutti nebenan, die sich mächtig ins Zeug legt, ihr Kind zum Buddeln zu begeistern und dabei ständig Anweisungen gibt, wie eine perfekte Sandburg aussieht – so dass das Kind am Ende frustriert weint.

Ja, ich tippe beim Stillen auf meinem Handy herum – na und?! Ist das schlimmer als ein Buch zu lesen?
Mehr Lockerheit in Sachen Mama und Handy bitte!
Und dann ist da diese Mutter, die ihr klitzekleines Baby stillt. Das Baby trinkt, die Händchen locker geöffnet. Ein friedliches Bild. Aber was ist das?! Anstatt selbstvergessen auf ihr Baby zu schauen – mit liebevollen Madonnenblick – hält die Mutter ein Smartphone in der Hand und scrollt herum! Und schon sind sie wieder da, die Kritikerinnen: „Wie kann sie nur! Was macht sie da! Sie sollte doch ganz für ihr Kind da sein! Immer diese Handysüchtigen! Wenn sie das schon beim Stillen macht, wie ist das dann wohl den Rest des Tages…“ Und schon wieder wird gemeckert und gelästert.
Mal Butter bei die Fische! Sollen Babymamas allen Ernstes den ganzen Tag bei jedem dieser Stillmahlzeiten, die auch manchmal eine halbe Stunde dauern können, zärtliche Blicke auf ihr Baby werfen?! Dasselbe wie bei der Spielplatzmama – hätte diese stillende Mama ein Buch in der Hand, keiner würde sich aufregen. Aber ein Handy – das ist furchtbar schlimm. Dass diese Mama nach dem Stillen ihr Handy zur Seite legt, das Baby fest an sich zieht, mit ihm kuschelt, ihm vorsingt, es schaukelt und anlächelt – das wird von den Lästermäulern schon gar nicht mehr gesehen.
Diese stillende Mama bin ich. Und ich bin auch die Spielplatzmama. Denn ich nutze mein Handy, auch wenn ich mit den Kindern unterwegs bin. Denn mein Handy ermöglicht mir, mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Ja, denn auch Zeit, die ich am Handy herumtippe, während meine Kinder spielen, ist Zeit mit meinen Kindern. Es ist Zeit, die ich bei ihnen bin – und sie wissen, dass ich für sie da bin, das Handy weglege, wenn sie mich brauchen. Und wenn sie mich nicht direkt brauchen, weil sie im Spielflow versinken, weil sie mit anderen Kindern spielen (was eh die besseren Spielpartner für Kinder sind als Erwachsene!) und eigentlich auch jeder weiß, dass Kinder nicht ständig unsere Aufmerksamkeit und unsere Animation brauchen, dann nehme ich mein Handy und arbeite ein wenig. Diese gewonnenen Minuten für meine Arbeit sind es, die mir erlauben, meine Kinder früher aus der Schule und dem Kindergarten abzuholen. Ist es nicht perfekt?! Ich kann arbeiten und dennoch zusammen mit meinen Kindern sein! Dank dieses Werkzeugs, das sich Handy nennt!
Das Smartphone schützt Mütter vor Einsamkeit
Was ist also schlimm daran, wenn man sein Smartphone auch vor den Kindern benutzt? Solange ich es weglege, wenn meine Kinder mich brauchen, solange ich es ausschalte, wenn meine Kinder mir etwas zeigen oder erzählen wollen? Nein, das Handy ist kein Teufelszeug. Und es ist auch kein Grund, eine Mutter als Rabenmutter abzustempeln.
Dasselbe, wenn ich stille. Natürlich bin ich immer noch verzückt von meinem Baby. Und ich könnte ihr tatsächlich stundenlang zuschauen. Diese feine Haut, diese kleine Stupsnase. Aber genauso freue ich mich über die so gewonnene Zeit für mich – wenn mein Baby trinkt. Ich nutze sie zum Arbeiten am Handy, aber auch für die Kommunikation. Ich kann so in Kontakt bleiben mit Freunden, mich für den Nachmittag verabreden. Ich kann während des Stillens online Zeitschriften lesen. Oder mich auch einfach nur in den sozialen Medien unterhalten lassen. Und was ist daran schlecht? Mein Baby ist ja nicht allein. Es trinkt, ist zufrieden und ganz nah bei mir. Bin ich eine schlechtere Mutter, nur weil ich diese ruhigen Minuten dazu nutze mich ein wenig zu unterhalten?! Oder zu arbeiten? Oder einfach nur zu entspannen, indem ich bei Pinterest herumstöbere?
Nein, natürlich nicht. Ich bin mir sogar sicher, dass das Smartphone viele Mütter vor der Einsamkeit bewahrt, die nicht wenige Erstmütter befällt. Dieses Gefühl, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein, diese Langeweile, die sich einstellt, wenn man den ganzen Tag nur für das Baby da ist. Ich glaube, es kennt jede von uns, zumindest zeitweise, oder? Doch dank des Smartphones hat man Kontakt nach draußen, kann sich austauschen mit anderen Müttern – und wenn man weiß, dass es anderen so geht wie einem selbst, dann lässt sich alles gleich viel leichter ertragen. Ich bin mir sicher – das Smartphone hat schon viele Mütter vor der Einsamkeit gerettet.
Und wenn man zwischendrin diese Pausen für sich hat – dann ist man danach umso gestärkter, um sich wieder voll dem Baby zu widmen.
Was ist also so schlimm am Smartphone?! Wieso werden Mütter, die es vor den Kindern nutzen so verdammt? Natürlich will ich nicht dazu aufrufen, nur noch auf dem Handy herumzudaddeln. Klar ist – wenn die Kinder mich brauchen, dann haben sie Vorrang und nicht das Handy. Beim Essen hat es nichts zu suchen. Und wenn ich Monopoly spiele, dann schaue ich nicht nebenher aufs Telefon. Aber wenn die Kinder mich nicht brauchen und nur meine physische Anwesenheit reicht – dann spricht absolut nichts dagegen, ohne schlechtes Gewissen auf dem Smartphone herumzutippen.
Also verdammt nicht jede Mutter, die ihr Handy zückt. Schaut Euch doch die Situation einmal genauer an, bevor das Lästern beginnt. Und auch die Mutter, die einen Kinderwagen mit quengelnden Kind schiebt, ein zweites Kind an der Hand hat und dabei einen Blick aufs Handy wirft, sollte nicht gleich als Rabenmutter abgestempelt werden. Denn vielleicht schaut sie einfach nur kurz auf die Uhr, um es noch pünktlich zum Kinderturnen zu schaffen?
Wir sollten einfach nicht vergessen, dass wir selten alle Hintergründe kennen. Dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick aussieht. Und deshalb einfach häufiger mal das Lästern sein lassen. Uns auf die Zunge beißen und einander unser eigenes Ding machen lassen.
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Und wusste Ihr, dass mein neues Buch „Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder
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Als Du Deinen tollen Text veröffentlicht hast, schrieb ich gerade zum gleichen Thema und musste noch einmal umdenken. Ich fühlte mich beim Lesen deiner Zeilen gleich weniger schuldig und vor allem verstanden. Mir hat das Handy nämlich auch das ein oder andere Mal das Leben gerettet, als mir die Decke auf den Kopf zu fallen drohte, allein zu Hause mit Baby. (Da musste ich Dich gleich mal zitieren). Trotzdem übe ich mich ab heute im Handy-Fasten. Zumindest in der Mama-Baby-Zeit. Und in der Mama-Papa-Zeit ;-) Weil mir das ständige Auf-den-Bildschirm-Starren selbst ziemlich auf den Keks geht.
Wenn es in Ordnung geht hier der Link zu meinem Blogpost zum Thema Mütter und Handy: „Mein Baby, das Handy und ich – Fastenzeit 2.0“ https://www.kleinstadtgewaechs.de/mein-baby-das-handy-und-ich/
Pingback: Mein Baby, das Handy und ich - Fastenzeit 2.0 auf Kleinstadtgewaechs
Vielen Dank für diese Sichtweise. So habe ich es ehrlich wirklich noch nie betrachtet. Man fühlt sich gleich ein bisschen besser, wenn man wieder zum Handy greift. Aber wie überall gibt es natürlich solche und solche. Man sollte nicht alle über einen Kamm scheren und schon gar nicht urteilen, wenn man die Hintergründe nicht kennt. Leben und leben lassen, auch so ein schöner Spruch.
Viele Grüße.
Oh ja! Das Problem hierbei dürfte sein, dass es wie immer die Mama’s gibt, die es tatsächlich übertreiben und pausenlos am Handy hängen und nichts anderes machen, als Schminktipps auf Youtube zu schauen. Oder eben die Mamas die am Spielplatz sitzen und nur am Daddeln sind, während ihre Terrorzwerge die anderen Kinder drangsalieren. Da werden dann die anderen gleich mit über den gleichen Kamm geschert.
Wenn ich mir die Geschichten meiner Oma und meiner Mama so anhöre, dann habe ich den Eindruck, dass die Kinder da auch nicht mehr von der Mama hatten. Meine Oma musste damals auch arbeiten, damit sie über die Runden kamen. Die Kinder liefen so nebenher irgendwie mit. Meine Mama musste sich schon früh um die jüngeren Geschwister kümmern. Oder wenn ich an meine eigene Kindheit denke: Ich war ab 4 Jahren alleine auf dem Spielplatz oder im Wald. Gut, wir wohnten eher ländlich. Aber das würde den heutigen Eltern ja gar nicht mehr einfallen (mir auch nicht, um ehrlich zu sein).
Wir haben echt „Probleme“ heutzutage. First-World-Problems.
LG, Tina
Super Text! Der hätte genau so auch von mir sein können!