Schüler bekommen Fehler angestrichen, wenn sie in Klausuren gendern – geht’s noch?!

Bei manchen Sachen fasst man sich an den Kopf: Echt ey, geht’s noch?! Das entfuhr mir spontan, als die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) verkündete, dass die Lehrer:innen Fehler anstreichen müssen, wenn die Schüler in Klausuren und Arbeiten gendern. Also die Sternchenform oder Doppelpunktform usw nutzen. Schüler:innen zum Beispiel. Wie es in vielen Zeitschriften und Zeitungen Standard ist, wie es viele Behörden mittlerweile in allem Schriftlichen machen (auch die schleswig-holsteinische Stadt Lübeck übrigens), wie es Schulleiter:innen in ihren Emails an die Eltern schreiben, wie es Lehrer:innen im Unterricht machen, wie es eigentlich aufgeklärte, moderne und an Gleichberechtigung interessierte Menschen halt so machen im Jahre 2021. Aber wehe, unsere Schüler:innen benutzen es in ihren Arbeiten, dann gibt es einen Fehlerpunkt dafür! Das ist ein ganz offizieller Erlass des Bildungsministeriums mit dem Hinweis, das entspreche ja nicht den Regeln des Deutschen Rates für Rechtschreibung. Rolle rückwärts in die 50er Jahre verordnet mit freundlichen Grüßen vom Bildungsministerium! Ein Glück werden nun die Schüler:innen laut und weil ich das so klasse finde, unterstütze ich sehr gerne ein Petition von der Schüler:innenvertretung eines Lübecker Gymnasiums: Die SV des Johanneums fordert in dieser Petition, dass es keine Fehlerpunkte fürs Gendern in Klausuren gibt. Hier könnt ihr unterschreiben – ich habe es schon getan!

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Wieso Gendern normal sein sollte und kein Punkt, über den man diskutiert (und schon gar keinen Volksentscheid macht!)

Es gibt Tage, da fasst Du dir morgens an den Kopp. Wenn du in der Zeitung liest: „Nord-CDU fordert Volksentscheid zum Gendern.“ Und Du fragst dich: „Bitte was?“ Haben wir keine anderen Probleme, über die man im Wahlkampf diskutieren sollte? Kleiner Tipp: Da war was mit Klimawandel, Rechtsextremismus, Spaltung der Gesellschaft, Benachteiligung von Kindern, Schulen, Afghanistan und andere außenpolitische Themen… und noch ein paar offene Baustellen mehr, über die es sich viel mehr lohnt zu sprechen. Und gibt es nicht dringendere Themen für Volksentscheide?! Populismus ist so eine Sache, über die ich mich stundenlang aufregen könnte, Quatsch, tagelang. Wer so etwas allen Ernstes vorschlägt, der schlägt sich damit auf die Seite von Populisten, begibt sich auf AFD-Niveau, biedert sich an Stammtischrunden an, deren Hauptlektüre BILD und dubiose Internetseiten sind. Über Gendern sollte man nicht abstimmen, Gendern sollte einfach längst selbstverständlich in unseren Sprachschatz übergegangen sein. Es sollte einfach Teil unserer Sprache sein, über den man nicht weiter nachdenkt. Statt noch darüber zu diskutieren, sollte man es einfach tun. Weil es normal sein sollte, nicht einfach nur von Lehrern zu sprechen und den Frauen dieses generische Maskulinum überzustülpen, sondern Lehrer*innen zu sagen. Denn Sprache bildet die Wirklichkeit ab – und die Wirklichkeit besteht zu 50 Prozent aus Frauen.

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