Lasst sie einfach spielen! Was Kinder durchs freie Spielen lernen

Kürzlich erst. Da lag wieder so ein Flyer herum. „Die beste Vorbereitung für die Schule“ stand da drauf. Es  war die Rede von Zeitfenstern, die sich schließen könnten. Von Vernetzung von Gehirnzellen. Feinmotorik. Das hat ja auch alles seine Berechtigung. Und wenn die Kinder Spaß daran haben, ist es auch ok. Aber wenn ein Kurs nur besucht wird, weil „alle es so machen“ oder man glaubt, dass das Kind sonst etwas Elementares für die weitere Zukunft verpasst – dann sollte man sich schleunigst wieder abmelden. Denn die beste Vorbereitung aufs Leben (und ja, auch auf die Schule) ist das freie Spielen! Und zwar nicht das von uns Großen angeleitete Spiel,  bei dem wir Erwachsenen unseren Kindern unserer Regeln und unsere Problemlösungsstrategien aufdrücken wollen, sondern das freie Spiel, ungestört, mit anderen Kindern oder auch alleine. Dabei lernen die Kinder mehr, als man auf den ersten Blick denken mag.

Freies Spielen fördert das abstrakten Denken.

Gebt den Kindern einen großen Pappkarton und sie sind stundenlang beschäftigt! Er wird wahlweise zur Ritterburg, zum Flugzeug oder Herd, manchmal auch alles gleichzeitig. Wenn man Kinder lässt, verleihen sie Alltagsgegenständen eine neue Bedeutung und schlüpfen selbst in die unterschiedlichsten Rollen. Das abstrakte Denken hilft ihnen später übrigens beim Erlernen der Grundrechenarten. Oder der Fremdsprachen. Was wir uns verkneifen sollten: Kommentare à la „ein richtiges Flugzeug braucht aber noch richtige Flügel“ – unsere Kinder entscheiden, was richtig und falsch ist!

Freies Spielen fördert die Fantasie und Kreativität.

Das liegt nahe, oder? Wenn ich meine Kinder spielen sehe, frage ich mich immer: Wann ist diese Fantasie in meinem Leben eigentlich abhanden gekommen? Auch hier gilt: Lasst die Kinder in Ruhe und mischt euch nicht ein! Wenn eine Ritterburg pink ist, dann ist sie pink und ein vermeintlich gut gemeintes „Ritterburgen waren aber aus grauen Steinen“ holt die Kinder erstens sofort aus dem Spielflow und demotiviert sie augenblicklich.

Freies Spiel hilft, den eigenen Körper und die eigenen Fähigkeiten zu entdecken.

Kinder suchen sich im Spiel die Anforderungen, die zu ihren Fähigkeiten passen – und testen sich an ihre Grenzen heran. Wenn sie nicht hinters Sofa passen, dann spüren sie die Proportionen ihres Körpers. Wenn sie noch nicht auf den untersten Ast des Baumes klettern können, lernen sie, wo ihre Grenzen sind.

Freies Spiel hilft beim Lösen von Problemen.

Auch wenn wir es gerne so hätten: Wir können unsere Kinder nicht  vor allen Misserfolgen schützen. Und ihnen immer alle Steine aus dem Weg zu räumen, geht eher nach hinten los als dass es unseren Kindern etwas bringt. Wir können sie dabei unterstützen, selbst zu lernen, Probleme zu lösen und Herausforderungen zu bewältigen. Indem wir ihnen beim freien Spielen ohne Einmischen die Möglichkeit geben, selbst Lösungsstrategien zu entwickeln. Indem wir ihnen vertrauen und sie einfach mal machen lassen. Dazu gehört auch Fehler machen. Denn aus ihnen lernt man, es ist einfach so. Ganz abgesehen davon, dass das Gefühl, eine Herausforderung aus eigener Kraft gemeistert zu habe, das Selbstbewusstsein stärkt.

Freies Spiel gibt Selbstvertrauen.

Und genau dieses Gefühl „ich kann etwas alleine“ gibt den Kindern Selbstvertrauen. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Das Gefühl „ich bin nicht auf die Erwachsenen angewiesen“ hilft, über sich selbst hinauszuwachsen. Sie entwickeln dadurch das Gefühl „ich habe mein Leben selbst in der Hand“. Wer mit diesem Gefühl durchs Leben geht, an sich selbst glaubt, der glaubt auch daran, dass er die Kontrolle über sein Leben hat, dass er selbst die Dinge, die passieren aus eigenem Antrieb steuern kann. Studien zufolge haben Menschen, die diesen Glauben an sich nicht entwickeln eine höhere Neigung zu Depressionen und Ängsten, ihnen fehlt das Gefühl, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und sie fühlen sich dem Schicksal und äußeren Faktoren ausgeliefert. Kinder also dabei zu unterstützen, eigene Lösungen zu finden, ist ein Schlüssel dafür ,aus ihnen starke selbstbewusste Menschen zu machen.

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Das freie Spielen fördern

Wir Eltern sollten unseren Kindern deshalb so oft wie möglich die Gelegenheit geben, einfach zu spielen und ungestört im Spielflow zu versinken. Dafür brauchen Kinder vor allem Zeit. Also kein Flötenunterricht im Nacken. Und auch keine ständigen Angebote unsererseits: Daueranimation ist kontraproduktiv! Wenn wir unseren Kindern ständig vormachen, was sie wie spielen könnten, dann verlernen sie es, selbst ins Spiel zu finden. Kinder brauchen keine Gebrauchsanweisungen von uns. Was hilft, ist eine Spielumgebung mit verschiedenen Materialien, Alltagsgegenständen und Spielzeugen zum Anfassen, Ausprobieren – auch ohne, dass gleich gemeckert wird, dass etwas dreckig wird oder kaputt geht.

Und unsere Rolle als Eltern dabei? Unseren Kindern zu vermitteln „spiele, probiere dich aus und wenn du Hilfe brauchst bei etwas, dann bin ich für dich da.“

Deshalb: Ist euer Kind gerade so schön im Spielfluss, dann unterbrecht es nicht mit einem „ist das aber schön“ oder „soll das ein Turm sein?“ sondern nehmt ohne schlechtes Gewissen eine Zeitschrift zur Hand und lest ein wenig und genießt die kleine Auszeit zum Akkus aufladen. Ein  Kommentar von euch würde den Flow nur unterbrechen. Wenn euer Kind euch etwas zeigen möchte, dann wird es das schon sagen – und dann solltet ihr auch echtes Interesse zeigen! Denn ein Aufruf, unsere Kinder jetzt völlig zu „vernachlässigen“ und komplett sich selbst zu überlassen, soll das natürlich nicht sein. Denn genauso wie sie Zeit für sich brauchen, brauchen Kinder auch viel Zeit mit ihren Eltern -echte, geteilte Zeit, in der die Eltern nicht nur körperlich anwesend sind, sondern voll und ganz ihren Kindern zugewandt.

Wollt Ihr mehr zu dem Thema lesen? Dann schaut mal in meine Bücher „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Kinder glücklich machst“ und „Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein“ – dort gibt es viele weitere Tipps.

Und wieso jedes Kind sein eigenes Tempo hat und wir ihm sein Tempo lassen sollten, schreibe ich in meinem neuen Buch „Das Kind wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“.

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Kennt Ihr schon meine Bücher?

 „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel

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3 Kommentare zu “Lasst sie einfach spielen! Was Kinder durchs freie Spielen lernen

  1. Pingback: Corona-Lockdown: Gibt es eine positive Seite? - Mein Mama Blog

  2. Das ist vollkommen richtig! Freies Spiel ist sehr wichtig für die Ausbildung von Kreativität und Persönlichkeit. Jetzt hab ich wieder weniger „schlechtes Gewissen“ weil mein 4,5jähriger noch in keinem Sport-, Musik- oder Tanzverein ist 😉😅… LG, Sandra (von Pirat & Löwe)

  3. Oh ja, dann sagen wir jetzt wohl Frühchinesisch, Harvenunterricht und Latein für Kindergartenkinder wieder ab :-)
    Du hast sowas von recht und wir geben unser bestes, unserem Kind diese Zeit zu geben. Uns erstaunt nur immer wieder, was andere Kinder aus dem Kindergarten noch so alles machen…

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