Sich selbst zu akzeptieren -wieso fällt Müttern Selbstliebe so schwer?

*Interview und Buchtipp*

Das mit der Selbstliebe ist ja so eine Sache. Ich habe selten so viele selbstkritische Äußerungen gehört wie von Frauen, insbesondere von Müttern! Woher kommt das? Wieso fällt gerade Mütter die Selbstliebe so schwer, sich selbst zu akzeptieren, so, wie man ist? Die Crew vom grandiosen Online-Magazin Mutterkutter hat dazu ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben: „Love yourself Mama! Körper, Seel und Liebe in Balance. So schaffst du es im Alltag, an dich selbst und deine Gesundheit zu denken“. Darin geht es nicht nur darum, was wir unserem Körper und unserer Seele oder unserer Beziehung Gutes tun können, wie man der Beziehung etwas Gutes tun können, sondern auch darum, wie wir lernen, uns, unseren Körper und auch die Veränderungen, die die Schwangerschaft mit sich bringt, lieben lernen. Dazu habe ich Doro von Mutterkutter gefragt – lest selbst ihre Tipps und kritischen Gedanken zum Thema Selbstliebe:

Wieso hadern so viele Mütter mit ihrem Selbst?

Doro: Nina Strassner, bekannt als „Juramama“, hat grad einen Tweet abgesetzt, der für mich ein gesellschaftliches Grundproblem extrem gut umreißt. Sie schreibt, Zitat: „Ach Hallooo! Sie haben etwas zugelegt, deswegen war ich mir nicht ganz sicher, ob Sie das sind? Schön Sie zu sehen.“ Mein erster Gedanke war: „Wow! Unfassbar dreist“. Ich habe mich dann gefragt: Wie oft widerfährt das eigentlich einem Mann? Wie oft knallen die Leute eigentlich ihre Gedanken, Bewertungen und Gehässigkeiten Männern ins Gesicht? Meine Erfahrung, sowohl beruflich als auch privat: wesentlich seltener. Ehrlich, manchmal habe ich in 2021 immer noch den Eindruck: Wir Frauen haben eine Art „Ganzjahrestag der offenen Tür für Bewertungen jeglicher Art“ – da genügt oft ein Blick ins Klatschzeitschriftenregal des örtlichen Supermarktes oder in Social Media. Ein Thema, das auch uns Mütter betrifft. Auch wenn Promis erst einmal weit weg zu sein scheinen – ich wundere mich sehr darüber, dass 2021 die Berichterstattung über die schlanken After- Baby-Bodies der Stars und Sternchen immer noch Seiten füllt. Allein dadurch, dass zwischen „Promi“ und „Normalo“, ja, Mensch und Mensch unterschieden wird, wird für mich eine realitätsferne Kluft geschaffen. Und dazu ein künstliches Bild von unseren Körpern nach der Geburt erzeugt.

Ehrlich: ich finde das zum K*****. Über uns Mütter wird insgesamt – meiner Meinung nach – viel geurteilt. Über unsere Körper, unser Aussehen oder Verhalten, zum Beispiel: „Hat die immer noch so viel drauf? Jetzt ist die Geburt aber schon bald zwei Jahre her!“ , „Boah, kann die morgens nicht mal in den Spiegel schauen, bevor sie im Schlabberlook ihr Kind zur Kita bringt?“ , „Sorry, aber… die ist aufgegangen wie ein Hefekuchenteig“ oder „Kind Nummer zwei hat ihr nicht gut getan.“ Sätze, die ich so oder so ähnlich schon mitbekommen habe. In echt oder im Internet. Lästereien, die die Betroffenen in Mark und Bein treffen. Die einfach weh tun. Und wohin führen sie? Zu Selbstzweifeln, übersteigerten Ansprüchen an sich selbst und Gräben zwischen uns. Ich bin überzeugt: Wir sind gut so, genauso wie wir sind! Jede Mama ist auf ihre einzigartige Art und Weise schön!

Doro Dahinden von der Mutterkutter-Crew. Foto Anne Seliger

Wie hilft Selbstliebe, uns mit unserem Körper und Aussehen zu versöhnen?

Doro: Selbstliebe ist ja erstmal ein ziemlich großes Wort. In manchen Phasen schier unerreichbar. Wirkt vielleicht auf manche auch voll überzogen. Oder in Mode. Dennoch glaube ich, dass Selbstliebe der Hauptschlüssel zum eigenen Glück ist. Wenn wir innerlich zufrieden sind, lernen, uns anzunehmen, genauso, wie wir sind, dann strahlt das nach Außen aus. Das heißt: Ein positives Selbstbild beginnt für mich im Inneren. Und ein wichtiger Schritt dahin ist für mich Selbstfürsorge. Auch wenn die – gerade in der Pandemie – schwieriger denn je erscheint. Aber hier gilt aktuell erst recht: auch kleine Schritte führen zum Ziel.

Wie kommt man aus dieser Falle? Was sollte der erste Schritt sein? Der erste Schritt ist für mich: sich selbst wichtig zu nehmen. Und der zweite Schritt: sich und seine Bedürfnisse an erste Stelle zu stellen. Egal, wie hart die Situation grad ist: Wir müssen (und ich sage bewusst „müssen“) uns, unsere körperliche und seelische Gesundheit ernst nehmen. Wir sind wichtig! Und indem wir unseren Kindern zeigen, dass wir uns ernst nehmen, bringen wir ihnen auch bei, dass sie selbst wichtig sind. Ein Beispiel, das sich bei mir eingebrannt hat: Im Flugzeug sollen wir doch auch die Sauerstoffmasken als erste aufsetzen, bevor wir anderen helfen. Grad die Corona- Pandemie zeigt uns: ohne uns geht nichts. Und für viele von uns geht auch nicht mehr viel: wir sind ausgebrannt, kaputt, müde. Selbstfürsorge mag wie blanker Hohn klingen, ja. Aber wenn nicht jetzt, wann dann? Ich stelle mir die Fragen: Was brauche ich (körperlich und seelisch)? Was tut mir gut? Wann und wie kann ich mir kleine Inseln schaffen? Wer kann mir aktuell dabei helfen, dass ich auch an mich selbst denke? Und versuche Lösungen zu finden!

Welche Rolle spielen dabei Insta und Co.?

Doro: Ich muss zugeben: Manchmal möchte ich die App einfach löschen, bei diesem Game nicht mehr dabei sein. Ich verspüre dort heute oft immer noch Druck, auch wenn in letzter Zeit zum Glück immer mehr Profile die ungefilterte Realität zeigen. Du weißt ja: das finde ich bei dir so toll, weil du mich abholst mit deinen echten Gedanken und deiner nicht geschönten Realität. Manchmal empfinde ich es grad auf Instagram als laut. Die Inszenierungen sind vielleicht ein alter Hut, altbekannt, aber ich merke auch, dass einige Themen an dem Selbstbild als Mama knabbern können. Ich überspitze bewusst: Überall wird mir erzählt, wie ich mich zu verhalten habe, dass ich nicht schimpfen soll oder am besten geduldig durch den Tag schreite. Und das am besten noch von Menschen, die komplett fachfremd sind. Uff ! Freundinnen von mir, die völlig in sich ruhen und einfach nur liebevoll mit ihren Kindern umgehen, haben schon zu mir gesagt: „Doro, das macht mir so einen Druck!“ Ein bisschen mehr Verständnis wünsche ich mir hier und da. Wir können weder den ganzen Tag gut gelaunt sein noch mit Kindern zuhause durch die blitzeblanke Bude turnen.

In letzter Zeit erlebe ich auch verstärkt Hass, Neid und Missgunst in Social Media, vor allem auf Instagram. Stichwort: Mom-Bashing. Ich habe da lange auf meinem rosaroten Planeten gewohnt, jetzt geht es heiß her, vor allem bei Kolleginnen und Freundinnen. Aber auch in die Richtung MutterKutter. Kritik, die fernab von Wertschätzung ist, wird da abgefeuert. Anstatt zusammenzuhalten: Konkurrenz, fiese Kritik oder Herabwürdigungen. Neid und Konkurrenz spielt teilweise offenbar eine größere Rolle als ein friedliches Miteinander bzw. gegenseitiges Empowerment. Wir sitzen alle im gleichen Boot, ich bin der Meinung: Lasst uns gegenseitig supporten, uns wertschätzen und auf Augenhöhe begegnen. Dann kommen wir gemeinsam dahin, dass wir Mütter und Frauen insgesamt eine stärkere Stimme bekommen! Und die brauchen wir!

Sag mal, nochmal zum Thema Selbstliebe. Frauen sind ja oft so selbstkritisch: Wie lernt man, seine Falten zu akzeptieren?

Doro: Kennst du den Moment, in dem du mal wieder in den Spiegel schaust und denkst: F***. Was ist denn da passiert? Ich hatte den. Plötzlich habe ich überall Falten gesehen, fand mich „voll alt“. Ich habe festgestellt: Wir sind mit uns selbst so viel strenger als mit anderen. Und wir haben oft eine Art Verzerrspiegel zuhause. Wir selbst sehen die Falten zum Beispiel als – ich überspitze wieder – tiefen Furchen. Andere sehen die gar nicht. Oft hilft es, genau darüber mit einer Freundin oder dem Partner bzw. der Partnerin darüber zu sprechen. Ein „ Du übertreibst maßlos“ holt mich schon wieder zurück. Und dazu kommt: Jede Falte erzählt eine Geschichte. Das denke ich mir immer wieder. Auch die sogenannte „Zornesfalte“ zwischen den Augenbrauen oder die Stirnfalten. Unsere Geschichte gehört zu uns. Wir sind unsere Geschichte. Und vielleicht zeigt uns eine Falte auch: Bitte kümmere dich um dich und deine Geschichte, denn du bist wichtig! Und ansonsten hilft mir: Viel trinken, vor allem verdünnten (Bio-)Apfelessig. Ich bilde mir ein, dass meine Haut spätestens nachmittags glücklicher aussieht.

Und was hilft, den weicher gewordenen Körper und eventuelle hartnäckige neue Pfunde zu akzeptieren?

Doro: Manchmal vergessen wir, dass unsere Körper großartiges geleistet, ja, Wunder vollbracht haben. Das versöhnt mich schon, wenn ich hadere. Wir werden älter, wir verändern uns. Und das gehört zum Leben nunmal dazu. Ich finde ja auch, dass viele Frauen im Alter mehr strahlen als vorher – glücklicher aussehen. Beim Gewicht glaube ich, dass wir hier eben auch einen liebevollen Blick auf uns walten lassen sollen. Denn auch unser Gewicht hat – genauso wie unsere Falten – eine Geschichte. Und die ist nunmal anders als die von der Mama nebenan. Und damit nicht mehr oder weniger schön!

In eurem Buch ratet ihr zu positiven Affirmationen: Wie helfen sie?

Doro: Ganz wichtig finde ich zu sagen: mit positiven Affirmationen kann ich nicht mein ganzes Leben „schön tapezieren“ oder eine (eventuell wichtige) Therapie ersetzen. Dennoch helfen mir persönlich positive Affirmationen dabei, mein Leben zu gestalten. Zum Beispiel habe ich mir regelmäßig gesagt: „Ich wünsche mir ein berufliches Umfeld, in dem ich glücklich bin.“ Und weil ich mir das aufgesagt habe, hat sich mein Blick verändert auf meinen Job. Ich habe genauer hingeschaut: Wie möchte ich arbeiten? Mit wem möchte ich arbeiten? Wie soll mein Joballtag aussehen? Tatsächlich bin ich heute nach ein paar Jahren da, wo ich sein wollte. Ich denke: Weil ich immer im Hinterkopf hatte, was ich möchte und was nicht. Ich glaube einfach daran, dass wir mit einer Affirmation, zum Beispiel „Ich möchte mehr an mich denken und mehr Sport machen“ schon einen Schritt in Richtung Selbstfürsorge machen. Indem wir uns bewusst machen, was wir brauchen, gehen wir das Bedürfnis schneller an bzw. finden wir eine Lösung im Alltag, um uns selbst gerecht zu werden. Positive Gedanken können uns dabei helfen, den Monkey Mind zu stoppen – je öfter wir sie wiederholen, desto eher verankern sie sich in unserem Geist und beeinflussen unser Denken und Handeln. Daran glaube ich!

Und wie macht man da den Anfang?

Doro: Überlege dir, was du brauchst im Familienalltag. Möchtest du vielleicht entspannter sein oder mehr auf deine Seele und deinen Körper achten? Dann formuliere für dich ein Ziel, eine positive Affirmation. Zum Beispiel: “Ich liebe und achte mich so, wie ich bin.“ Schreibe sie dir auf, hänge sie dahin, wo du sie siehst. Und sag sie dir täglich mehrfach auf, auch in Situationen, die grad nicht so laufen, wo du vielleicht unzufrieden mit dir selbst bist. Lächle dich innerlich an, sei dir selbst deine beste Freundin. Und auch, wenn es vielleicht albern wirkt: Mir hilft es, mich im Spiegel anzugucken und sie mir selbst aufzusagen. Warum? Weil ich mir dann selbst zeige, dass ich mich wertschätze und ich wichtig bin!

Lieben Dank für das Interview, Doro! Noch viel mehr Tipps lest ihr in „Love yourself Mama„, das ich euch von Herzen empfehlen möchte. Es ist voller praktischer Tipps, die sich auch wirklich in den Alltag integrieren lassen, es lässt sich kapitelweise lesen und vor allem: Es liest sich wunderbar persönlich, lebensnah und gibt einfach positive Energie! Eine Leseprobe findet ihr übrigens hier. Genauso möchte ich euch auch den Mutterkutter ans Herz legen – es lohnt sich!

Wieso niemand perfekte Mütter braucht, lest ihr auch in meinem Buch: „Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein„.

Kennt Ihr eigentlich schon mein Kochbuch? „Das Familienkochbuch für nicht perfekte Mütter“ – dort findet Ihr mehr als 80 Rezepte – unkompliziert nachzukochen und zu backen!

Kennt Ihr auch  meine anderen Bücher?

 „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“
  Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein: Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter 

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel

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