Versteht mich nicht falsch. Den Grundgedanken von Attachment Parenting finde ich toll. Und vieles fließt in die Erziehung unserer Kinder mit ein. Floss übrigens schon mit ein, bevor ich den Begriff Attachment Parenting zum ersten Mal gehört habe. Wir leben sehr bindungsorientiert – ganz bewusst. Aber dennoch nervt mich die Attachment Parenting „Bewegung“ ganz gewaltig! Wieso? Obwohl ich doch selbst so viel davon in unser Familienleben integriert habe? Weil es leider so viele Eiferer gibt, so viele Mütter, die das Attachment Parenting fast schon sektenmäßig vorantreiben und alle anderen, die nicht so verfahren wie sie, verurteilen, als etwas Schlechteres sehen, auf sie hinabblicken (nicht nur bei AP, klar, aber dort auffallend oft). In den sozialen Medien bin ich immer wieder schockiert, wie rau der Ton geworden ist und wie sehr sich Mütter gegenseitig zerfleischen. Wer mich kennt, weiß: Dogma finde ich doof. Dogmen jeglicher Art. Und noch viel mehr, wenn es um so etwas Privates wie das Familienleben geht. Doch leider wird gerade Attachment Parenting von vielen so verbissen und dogmatisch vorangetrieben – was ich sehr schade finde und was ich daran wirklich nicht mag.
Bindungsorientiert leben, auf die Bedürfnisse meines Babys eingehen, nie schreien lassen, viel tragen, viel Körperkontakt, Familienbett, lange stillen – all das gehörte von Anfang an ganz selbstverständlich zu unserem Familienleben. Als unser erster Sohn auf die Welt kam, war es für mich ganz natürlich, so zu leben, so auf ihn einzugehen. Es kam ganz intuitiv, ohne dass ich darüber groß Ratgeber gelesen hatte. Und schon gar nicht kannte ich damals den Begriff Attachment Parenting. Auch von bindungsorientiert hatte ich, ich gebe es ganz offen zu, damals auch noch nichts gehört. Es fühlte sich für mich einfach sehr natürlich und gut an – und so lebten wir unser Familienleben auch so, wie es für uns am besten war.
Jede Familie lebt ihr Leben so, wie es am besten für sie passt
Weil wir damit so gute Erfahrungen gemacht hatten, machten wir bei meinem zweiten Sohn gleich mal so weiter. Und ich bin mir sicher: Meinen Söhnen hat es gut getan. Bei meinem zweiten Sohn wusste ich dann, was sich hinter Attachment Parenting verbirgt, aber ich habe es nie als „Auftrag“ verstanden, meine ganze Erziehung, unser ganzes Familienleben danach auszurichten. Und schon gar nicht wäre es mir eingefallen, andere Mütter zu verurteilen, die einen etwas anderen Stil pflegten. Denn ich wollte mich nicht einmischen. Es geht einen ja auch nichts an, ob die Mutter beim Kinderturnen das Familienbett gut finde oder nicht. Und wieso die Mutter bei der Rückbildungsgymnastik nicht stillt. Es hat jeder von uns seine Gründe. Und sein eigenes Leben.
Als sich eine Mutter beim Yoga geradezu dafür entschuldigte, dass sie nicht stillte, dachte ich: Was ist mir unserer Welt los, dass man sich für so etwas entschuldigen muss?! Es störte mich nicht, wenn jemand das mit dem Baby im Tragetuch blöd findet und den Kinderwagen viel praktischer. Ich hatte auch kein Problem damit, wenn jemand das Familienbett ablehnte und seine Matratze lieber für sich selbst hatte. Ich gebe es zu, es tat mir im Herzen weh zu hören, wie jemand sein Kind nach sechs Wochen alleine im Kinderzimmer schlafen ließ und ich konnte es so rein gefühlsmäßig nicht nachvollziehen. Aber diese Eltern als schlechte Eltern abzutun oder sie gar von meinem eigenen Lebensstil zu überzeugen – das habe ich nicht gemacht und das mache ich nicht.
Denn wir alle haben unsere Gründe.
Und wir alle haben unser Privatleben.
Es gibt doch nichts Privateres als das Familienleben! Und es gibt kaum etwas, wo so oft vorverurteilt und reingeredet wird. Wieso?

Ja, ich habe meine Kinder viel getragen. Aber auch genauso viel in den Kinderwagen gepackt. Macht mich Letzteres zu einer schlechten Mutter?
Wenn Erziehung mit Missionieren verwechselt wird
Woher kommt dieses Sendungsbewusstsein, was gerade von den Attachment Parenting-„Anhängern“ ausgeht? Es grenzt schon an Missionieren. Und ganz ehrlich: Missionieren find ich doof. Egal, ob es um Religion oder Erziehungsstile geht.
Dieses Dogma, dieses Verurteilen von anderen, sich als etwas Besseres hinstellen, findet sich leider in vielen Attachment Parenting Gruppen in den sozialen Medien wieder (nicht nur bei denen, um die in Schutz zu nehmen.. leider sind immer die Fanatischen, die total Überzeugten die lautesten, in allen Belangen). Da gibt es haufenweise Beiträge, wo man sich stolz rühmt, ewig zu stillen und sein Kind nie in einen Kinderwagen gepackt zu haben. Das ist ja schön und gut, wenn es sich für einen selbst gut an fühlt und wenn es einem wichtig ist, kann man das ja gerne posten. Aber leider geschieht das in so vielen Fällen nicht ohne zumindest einen Seitenhieb an alle Mütter, die das nicht so machen. Da bricht in Kommentaren ein Wettbewerb aus, wer denn am besten und konsequentesten ALLE „Attachment-Parenting-Regeln“ beherzigt und umsetzt und ich frage mich: Warum? Was soll das? Es handelt sich doch hierbei nicht um eine Sekte! Leider hat man manchmal das Gefühl.
Natürlich sind nicht alle Attachment Parenting-Fans so. Ich bin mir sicher: Die meisten leben das mit dem Bedürfnisorientiert so wie ich. Im Stillen, so wie es passt, denn es ja schließlich das eigene Privatleben. Es ist ja leider so, dass es meistens eine Minderheit ist, die besonders laut krakeelt und ins Auge fällt. Weshalb ich mit diesem Text bloß nicht falsch verstanden werden möchte: Natürlich werfe ich Euch nicht in einen Sack. Dann wäre ich selbst ja auch mit drin in diesem Sack. Aber ich wundere ich halt, wo diese Minderheit herkommt, wo dieser Hass herkommt, dieser Fanatismus?!
Ist es vielleicht eine tiefsitzende Unsicherheit, die einen so fanatisch werden lässt, dass man alle „Regeln“ strikt befolgt und alle anderen doof findet, die diese „Regeln“ nicht so streng befolgen?!
Beim Attachment Parenting geht es nicht um einen Wettbewerb, wer die beste Mutter ist
Die fiesesten Kommentare auf diesem Blog erhielt ich von Attachment Parenting-„Anhängern“ auf meinen Blogtext, in dem ich begründete, wieso meine Kinder in den Kindergarten gehen. (dabei ist AP ja gar nicht mit kindergartenfrei gleichzusetzen, denn wenn man Kinder richtig eingewöhnt, ist das sehr wohl bindungsorientiert… aber diese Emails kamen von „einschlägigen APlern“). Ich habe sie nicht freigeschaltet, ich gebe es ganz offen zu, weil sie beleidigend waren, sowohl mir gegenüber als auch anderen Bloglesern gegenüber. Unter der Gürtellinie gibt es hier bei mir nicht. Aus einigen der Kommentare sprach so eine Ablehnung, fast schon Hass, so eine Gehässigkeit und dieser Grundgedanke „Ich bin was Besseres als Ihr alle, weil ich bin ja Attachment Parenting“.
Was hat dieses sich über andere Stellen mit dem Grundgedanken der Bindungsorientiertheit zu tun?
Ich mag keine Schubladen. Und ich mag es nicht, wenn man meint, sich sklavisch an alle „Regeln“ halten zu müssen. Als ob man nicht bindungsorientiert leben könnte und trotzdem zum Einkaufen der Bequemlichkeit halber den Kinderwagen mitnehmen könnte? Als ob man weniger bindungsorientiert lebt, nur weil man seinem Kind Babybrei (auch noch aus dem Glas!) gibt? Ist man eine Rabenmutter, weil man mit Stoffwindeln so gar nichts anfangen kann? Oder weil man seine Arbeit einfach so gerne macht, dass man nach zwölf Monaten wieder anfängt zu arbeiten und sein Kind in die Betreuung gibt? Haben wir nicht alle unsere Gründe?
Mütter sollten zusammenhalten statt sich zu bekriegen!
Ich frage mich immer wieder, was da passiert ist. Wieso sich gerade unter den Attachment Parenting Fans so viele intolerante Mütter finden, die hemmungslos über andere urteilen, sie verurteilen und sich über andere stellen (ich betone noch mal: Es sind nicht nur die AP-Frauen und es sind natürlich NICHT alle von ihnen – aber es fällt halt auf, dass es hier besonders viele gibt!) Als ob das Langzeitstillen und Familienbett einen zu etwas Besserem macht!
Wieso können wir nicht alle mehr zusammenhalten und die anderen Mütter einfach mal machen lassen, so wie sie es für richtig halten, wie es am besten in ihr Leben passt? Halten wir doch einfach mal ein bisschen mehr zusammen, akzeptieren, was die anderen machen und lassen das Familienleben das sein, was es ist: Privatsache.
Lasst uns damit aufhören, andere fertig zu machen mit fiesen Kommentaren, nur weil sie Brei aus dem Glas viel bequemer finden als BLW (und ja, ich finde Brei auch praktikabler und hab bei meinem zweiten Sohn sogar häufig zu Gläschen gegriffen statt selbst püriert – macht mich das jetzt zu einer schlechteren Mutter?).
Denn eines kann ich Euch sagen: Dieser Hass, diese Missioniererei und dieses Sich-über-andere-Stelle, das hat mit dem Grundgedanken von Attachment Parenting nix zu tun. Und bindungsorientiert ist es schon mal gar nicht.
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Insbesondere das hier:
„Wieso sich gerade unter den Attachment Parenting Fans so viele intolerante Mütter finden, die hemmungslos über andere urteilen, sie verurteilen und sich über andere stellen.“
kann ich sehr gut nachvollziehen. Ist mir sowohl im realen Leben als auch online schon mehrfach aufgefallen. Irgendetwas an AP scheint Menschen mit einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur besonders anzusprechen.
Danke für deinen Beitrag!
LG, Ruby
Danke für diesen Artikel, ich bin froh, dass mehr Mütter dieser Ansicht sind und den Mut haben das auch zu äußern. Ich selbst habe neulich auch einen Artikel zu diesem Thema veröffentlicht (http://www.diesesmamading.de/2018/04/13/beduerfnisorientierte-erziehung/, falls du mal reinschauen möchtest), da ich diesen Dogmatismus auch nicht mehr akzeptieren wollte. Leben und leben lassen fällt besagten APlern wohl sehr schwer, was meiner Meinung nach auch nichts mit dem eigentlichen Grundgedanken zu tun. Außerdem kann und sollte es niemandes Anspruch sein alles zu 100 Prozent perfekt machen zu wollen, denn das erzeugt nur unnötigen Druck und Stress. Andere zu veruteilen, die das noch nicht einmal versuchen, halte ich für reine Anmaßung. Mich würde ebenfalls freuen, wenn es wieder ein stärkeres Miteinander geben würde, statt diese ständigen Verurteilungen.
Liebe Grüße
Linda
Ich bin leider gerade aufgrund ähnlicher Problematik etwas bedrückt.
Wir wohnen in einem kleinen Ort und hatten gestern erst das Vor-Gespräch in der KiTa zur Eingewöhnung ab nächstem Montag.
Ich hab dort festgestellt, dass das teiloffene Konzept ohne Kleinst-Gruppe und die spezielle Auslegung hier im KiGa für mein Kind (wird die Tage 2 Jahre) noch zu früh ist.
Jetzt bin ich am Überlegen, noch zu warten, bis sie 2,5 oder 3 Jahre alt ist.
Die meisten Mütter hier im Ort sind früh wieder in den Beruf gegangen, nutzen die KiTa als kostenlosen Babysitter und sind froh, wenn abends die Bude weitestgehend sauber ist (sagen sie selbst). Ist auch okay. Kann jeder halten, wie er will, solange es direkt oder indirekt dem Kind nicht schadet.
Wir haben hier ne Mutter, die das Kind grundsätzlich erst ab 3 Jahren in die KiTa gibt.
Viele andere Mütter glauben ernsthaft, dass die Frau aus reiner Faulheit zuhause bleibt. Nicht, weil sie so gut kennen; sie ist erst vor kurzem zugezogen. Denen fällt scheinbar kein anderer Grund ein🙄
Mich macht das alles gerade so betroffen, dass ich teilweise sogar den Gedanken abwägte, mein Kind trotz Bedenken dorthin zu geben, nur um keine „Unruhe“ aufkommen zu lassen, bzw keine Blicke auf mich zu ziehen, als eine, die aus dem hier örtlich gelebten Rahmen fällt.
Das kann es nicht sein!
Ich werde nicht gegen mein Bauchgefühl entscheiden, nur um andere nicht vor den Kopf zu stoßen oder um irgendwelchen Hetzereien zu entgehen.
Ich finde deinen Artikel super geschrieben!
Ich bin auch eine Mama, die ihr Kind viel trägt, bei der das Kind mit im Bett schläft und ich habe sie seitdem sie auf der Welt ist nicht einmal schreien lassen und werde es auch nicht tun. Aber alles was ins extreme geht finde ich befremdlich .. wenn es schon zum Zwang wird und nicht intuitiv entschieden wird, sondern eher „weil das so gemacht werden muss“
Ich denke jeder soll den Weg finden, wie er mit seinem Kind am besten klarkommt. Jedes Kind ist individuell und somit gibt es einfach kein Patentrezept wie man Kinder großziehen sollte.
Solange man immer das beste für sein Kind möchte, macht man normalerweise auch das richtige ..
Ich glaube egal wie man es macht man muss sich rechtfertigen: „zur kurz stillen“ ist nicht gut „zu lange stillen“ wie kann man nur?
Mit ReBoarder-das ist neumodischer Kram ohne Reboarder-wie kann man nur ist doch unsicher.
So zieht sich das durch alle Ebenen.
Jeder soll für sich entscheiden was und wie er es macht und dazu stehen.
Wir Menschen müssen lernen das gegenseitig zu akzeptieren und in einen positiven Austausch zu treten. Man kann immer was dazu lernen.
Dieses Gerangel darum wer am besten erzieht nervt mich auch total. Bei diesem ständigen rechtfertigen warum oder warum nicht habe ich schon oft keine Lust mehr zu erzählen wie wir das so machen :/