Gastbeitrag: „Ich werde meinen Job kündigen müssen. Sonst ist es nicht zu stemmen.“

Gestern hatte ich Euch meine Gedanken und Sorgen aufgeschrieben. Was in mir vorgeht, wenn ich an die nächsten Monate denke, daran, dass höchstwahrscheinlich auch nach den Sommerferien kein normaler Schulalltag stattfinden wird. Denn machen wir uns nichts vor: Das Thema Corona ist noch lange nicht ausgestanden. Ich mache mir Sorgen, wie es nach den Sommerferien mit  einem dann 4.Klässler, 1.Klässler und einem Kindergartenkind weitergeht. Arbeiten und nebenher zwei Schulkinder unterrichten?! Wie viel Zeit für meine Arbeit bleibt? Wie viel Zeit für mich selbst? Wie werde ich es schaffen, allen Bedürfnissen gerecht zu werden? Ist das überhaupt ansatzweise machbar, ohne dass irgendjemand hier unter die Räder gerät? Ich bin nicht die einzige Mutter, die sich diese Gedanken macht. Ich habe einige Mütter gefragt, welche Sorgen sie umtreiben, wenn sie an die nächsten Wochen und Monate denken und ob sie schon Konsequenzen aus der Mehrfachbelastung gezogen haben. Nicht wenige haben mir geantwortet, dass sie zum Beispiel ihre Arbeitszeit reduzieren werden oder sogar überlegen, ihren Job ganz zu pausieren. Was nicht für alle finanziell machbar ist, schon gar nicht, wenn dann auch noch Kurzarbeit des Partners dazukommt.  

Also bleibt vielen nichts anderes über, als weiter am Rande des Leistbaren weiterzumachen. Weiter, immer weiter. Nur mit welchen Konsequenzen?! Weil wir Eltern laut werden müssen, uns gegenseitig unterstützen sollten und ich auch für die sprechen möchte, die keine Kraft haben, selbst laut zu werden, habe ich hier Eure Antworten zusammengefasst – was Euch bedrückt und umtreibt und welche Konsequenzen Ihr gezogen habt. Weil man es grad gar nicht oft genug sagen kann: Viele Eltern sind am Limit! Und das Blöde ist: Es zeichnet sich einfach keine Lösung ab. Denn einfach so weitermachen wie vor Corona, ist nicht die Lösung. Denn eine zweite Welle, ein zweiter Lockdown würde die Dinge vollends zusammenbrechen lassen.

Hier kommt nun, was Eltern in diesen Tagen Sorgen macht:

  • Wie wird der Schulstart für meine Sechsjährige? Wird es eine Einschulung geben? Wird er eine normale Klasse haben? Wie soll ich ihm Lesen und Schreiben beibringen? (diese Fragen wurden von unglaublich vielen von Euch gestellt!)
  • Wie wird es mit der Kinderbetreuung, wenn auch nach den Sommerferien weder Kindergarten noch Schule zu 100 Prozent stattfinden?
  • Wie werden wir die Pandemie unter Kontrolle bringen? Führen die neuen Lockerungen zu einem erneuten Lockdown – kamen sie nicht zu früh?
  • Was macht diese Situation mit unseren Kindern? Wie werden sie diese Monate verkraften?
  • Wie stark werden meine Kinder im Lernstoff hinterherhinken, weil beim Homeschooling einfach nicht so viel Stoff wie nötig vermittelt wird? Wird dieser Lernrückstand sie die ganze Schullaufbahn begleiten?
  • Was ist mit der Ganztagsbetreuung in den Schulen? Wird sie überhaupt stattfinden?
  • Wie wird es mit Schülern mit Förderbedarf aussehen? Gibt es überhaupt Kapazitäten sie aufzufangen?
  • Wie wird der Übergang von der vierten Klasse zur weiterführenden Schule?
  • Muss ich meine Tochter in der Krippe wieder  neu eingewöhnen? Wird es überhaupt eine richtige Krippenbetreuung geben?
  •  Werde ich überhaupt weiterhin im Home Office arbeiten dürfen?

Und welche Konsequenzen ziehen Eltern?

Nicht wenige haben geschrieben, dass sie ins Auge gefasst haben, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um ihren schulpflichtigen Kindern beim Homeschooling zu helfen. Eine Mutter schrieb mir beispielsweise: „Ich wünsche mir, dass Schule für die Kinder etwas ist, worauf sie sich freuen. Wenn nach den Ferien kein normaler Unterricht möglich ist, überlege ich ernsthaft, meinen Job zu kündigen oder eine Auszeit zu nehmen, damit ich das Homeschooling besser begleiten kann. Ich finde gerade bei Erstklässlern kann das nicht so nebenbei laufen und die Kinder haben verdient, da richtig begleitet und unterstützt zu werden.“

Eine andere Mutter mailte mir folgende Gedanken: „In Sachen Arbeit gibt es auch große Sorgen. Mein Mann ist erstmal freigestellt. Ich arbeite nur halbe Stundenzahl. Somit fehlt das Geld. Die Angst, komplett gekündigt zu werden, ist groß.“ Nicht wenige verlegen ihre Home Office Arbeit in die Abendstunden, wenn die Kinder schlafen.

„Ich habe überlegt, zu kündigen, aber wir werden uns nun einen Babysitter nehmen“, schrieb mit eine andere Mutter. Das heißt noch mal extra Kosten. „Ich würde gerne meine Stundenzahl reduzieren, aber es geht finanziell einfach nicht bei uns“, so eine andere Mutter. Damit ist sie nicht die einzige-  viele Eltern haben schon durchgerechnet, wie sie weniger arbeiten könnten, wie sie mir schrieben. Und längst nicht alle, können es sich leisten. Oder stoßen dabei bei ihrem Arbeitgeber auf Entgegenkommen. Oder wie eine Mutter schrieb: „Das Problem ist nur, das Arbeitspensum würde gleichbleiben. Dann muss ich einfach mehr in weniger Stunden quetschen.“

„Ich habe mich entschlossen, meine Elternzeit noch einmal zu verlängern“, ist auch so eine Antwort, die ich mehrfach bekam. Eine andere Mutter möchte es darauf anlegen, gekündigt zu werden, um dann zumindest Arbeitslosengeld zu erhalten: „Selbst zu kündigen, kann ich mir wegen der Arbeitslosengeldsperre nicht leisten.“

Und es bleibt nicht nur bei der Überlegung, zu kündigen: „Ich habe vorgestern tatsächlich gekündigt. Um alles aufzufangen.“ Eine andere Mutter hat sich entschieden, ihre Selbständigkeit aufzugeben, weil es einfach nicht mehr ging. Und wieder eine andere schrieb: „Ich habe mich unbefristet freistellen lassen, weil wir kräftemäßig am Ende waren.“

Spannend fand ich auch die Sicht einer Mutter, die Lehrerin ist: „Ich bin Grundschullehrerin und arbeite seit Corona noch mal mehr als vorher schon. Neben der Notbetreuung heißt es Videokonferenzen, Schulcloud einrichten, mit Kollegen absprechen, Kontakte zu Eltern und Schülern aufnehmen, die Kinder mit Materialien versorgen, Bearbeitetes einsammeln und korrigieren, dann der Präsenzunterricht mit den Viertklässlern. Dazu habe ich einen Sohn mit ADHS und Förderstatus, dazu Pflegegrad. Ich bin übrigens alleinerziehend. Er geht tapfer täglich in die Notbetreuung, aber nachmittags darf ich mit ihm kämpfen, wenn es um seine Schulaufgaben geht.“

Und was ich besonders spannend fand an den vielen Antworten, die mich erreichten: Es hat kein einziger Vater geantwortet. Und bei keiner einzigen Antwort (es waren insgesamt über 700 (!) Antworten (nun versteht Ihr, wieso ich sie zusammenfassen musste) gab es einen Mann, einen Ehepartner, der kürzer tritt. Die Mehrfachbelastung, die Stundenreduzierungen und somit finanziellen Verluste (Stichwort Rentenpunkte) bleiben bei uns Frauen hängen. Bei uns Müttern. Das kann doch nicht sein, oder???

Wieso bleibt der Großteil an den Frauen hängen?

Rolle rückwärts in Sachen Gleichberechtigung und Vereinbarkeit. Dieses Corona-Dings geht vor allem auf Kosten von uns Müttern. (ich sage vor allem. Ich weiß, es gibt Ausnahmen, ein Glück, aber leider gibt es viel zu viele Familien, wo es genauso ist – die Mütter  trage die Hauptlast!) Das kann doch nicht sein!

Wie ich schon sagte: Ein Patentrezept habe ich nicht. Mir fällt keine Lösung ein. Einfach zurück in die alte Normalität kann nicht die Lösung sein. Eine zweite Pandemiewelle, einen weiteren Lockdown, überfüllte Intensivstationen – nein, das will ich nicht und das muss auf jeden Fall verhindert werden. Wozu es die Disziplin von uns allen bedarf, um die Ansteckungsraten weiter gering zu halten! Aber so wie in diesen Wochen seit Beginn des Lockdowns kann es auch nicht auf Dauer weitergehen. Wir brauchen Lösungen. Und die kommen nur, wenn sich Politiker mit unseren Anliegen überhaupt beschäftigen. Und das Gefühl habe ich in letzter Zeit nicht. Deshalb – sagt es weiter, teilt diesen Text, damit wir gehört werden, damit unsere Sorgen und Gedanken und diese bitteren Konsequenzen so viele Menschen wie möglich erreichen! Nicht wenige Eltern haben schon komplett resigniert und keine Kraft mehr, laut zu werden. Also müssen wir es für sie übernehmen.

Wir Eltern müssen an einem Strang ziehen – auch in der Partnerschaft

Eine Sache übrigens können wir Eltern schon alle gemeinsam machen, um die Situation erträglicher zu machen, um die Rolle rückwärts in Sachen Vereinbarkeit und Gleichberechtigung zu verhindern: Die Männer müssen mehr ran. Mehr einbezogen werden. Sich nicht mehr drücken. Sich ihrer Verantwortung stellen. Und das Argument „ich verdiene aber mehr als du“ zieht einfach nicht. Jungs, lasst Eure Frauen nicht hängen! Denn auch das ist etwas, was ich in den letzten Wochen beobachtet habe: In den Familien, wo die Männer mehr mit anpacken und nicht alles den Frauen überlassen, da läuft es besser.

Kennt Ihr mein Kochbuch? „Das Familienkochbuch für nicht perfekte Mütter“ – dort findet Ihr viele weitere Rezepte – unkompliziert nachzukochen und zu backen!

Kennt Ihr auch  meine anderen Bücher?

 „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel

Willkommen bei der ganznormalenMama! Wollt Ihr familienfreundliche Reisetipps? Oder kinderleichte Rezepte? Oder Lustiges, Nachdenkliches aus dem Mamaalltag? Dann stöbert im Archiv und folgt mir auf Facebook, bei Instagram oder Pinterest– ich freue mich auf Euch!

17 Kommentare zu “Gastbeitrag: „Ich werde meinen Job kündigen müssen. Sonst ist es nicht zu stemmen.“

  1. Erste und wichtigste Frage bleibt aber: wie bringen wir die Sommerferien rum, wenn wir unseren Zeitausgleich und Urlaub schon ziemlich aufgebraucht haben? Mich sorgt das nächste Schuljahr noch gar nicht… viel eher 9 Wochen Sommerferien….

  2. Liebe Nathalie, dein Beitrag ist wie immer toll! Und da niemand geantwortet hat mit einem Mann, der kürzer tritt, möchte ich das hiermit tun. Da ich beim Kinderarzt arbeite und nicht zu lange ausfallen wollte, haben wir Notbetreuung beantragt, die aber für den Jüngsten nicht genehmigt wurde. Zunächst hat mein Mann Urlaub eingereicht, um auf der Arbeit eine Lösung zu finden. Nun stellt er sich jeden Tag vier Stunden dem Homeoffice, dem Homeschooling mit einem Zweit- und einem Drittklässler sowie der Betreuung eines Zweijährigen, der noch nicht spricht. Komme ich nach Hause, muss er von halb drei bis halb sieben die restlichen Stunden im Büro anwesend sein. Und jetzt kommt das Beste: er hat sich noch nicht einmal beschwert. Also ich für meinen Teil bin sehr stolz und sehr dankbar, dass ich einen solchen Papa für meine Kinder habe ❤️ Natürlich ist es eine schwere Zeit für uns alle, aber ich wollte mal eine positive Meldung aus der Männerwelt verlauten lassen 😉 Alles Liebe, ich drücke euch die Daumen für die Zeit nach den Sommerferien und wünsche dir auch aktuell die besten Nerven und Gesundheit für euch alle, Verena

  3. Traurig und wieder traurig….
    Mir geht es nicht anders. Home Office, Home schooling, gleichzeitig Essen vorbereiten und Putzen und Waschen nicht vergessen.
    Was sagt mein Mann dazu wenn er in der Arbeit geht? „Jemand muss doch Geld ins Haus bringen.“ „Stell dich nicht so an, bist den ganzen Tag zu Hause.“
    Wirklich?!? Ich verdiene auch Geld in der Zwischenzeit und zwar weniger, weil ER in Steuerklasse 3 wollte. Während ich fast keine Zeit mehr fürs Duschen (!!!!) habe. Aber wehe das Essen ist nicht auf dem Tisch wenn er zu Hause kommt. Tja, lange wird es nicht mehr dauern…

  4. Es wird leider nur von Familien mit Kita oder Grundschulkindern berichtet! Wer denkt bitte an Familien mit Teenagern??? Ich habe 3 von diesen liebenswerten “ Monstern „!
    Die Sportvereine dürfen nicht ( aber die Bundesliga 😂), in Mathe kann ich einfach nicht helfen und online Hilfe wird abgelehnt! Jüngere Kids kann ich begeistern. Aber Teenager (Eltern sind voll….) leider nicht! Schlagt mal bem 15 jährigen sportler vor, mit Mama oder Papa zu basteln etc.!
    Jaaaäa, wir stoßen an unsere Grenzen! Finanziell sowieso!

  5. Ich arbeite Vollzeit zu Hause in einer Erziehungswohngruppe mit 6 Kindern, mein Mann arbeitet nur 30 Stunden in der Betreuung. Vor Corona hat er in der Tagespflege gearbeitet, wo es nur „Muttischichten“ gibt. Allein das Wort ist schon bezeichnend. Jetzt muss er in der Pflege arbeiten, weil die Tagespflege geschlossen wurde und man verlangt von ihm Spätschichten und Wochenenddienste. Und das obwohl seine Arbeitgeber wissen, dass er eine Frau und 6 Kinder zu Hause hat, die er unterstützen will. Derzeit wird er ständig angegangen, weil er sich dazu nicht bewegen lassen will. Wahrscheinlich wird er jetzt die Arbeit wechseln müssen, damit er mich weiter unterstützen kann.
    Ich selbst krauche auf dem Zahnfleisch, weil ich hier homeschooling für 3 Grundschüler und eine Gymnasiastin stemme und nebenbei 2 Kitakinder bespaßen muss. Zudem 3 meiner Kinder ernsthaft pubertieren und so langsam alle einen Lagerkoller bekommen. Jetzt dürfen die Schulkinder 2-3 Tage in der Woche für 3-4 Stunden in die Schule gehen. Ich habe Angst vor dem nächsten lockdown und den Einschränkungen die uns dann erwarten und habe Angst, dass die Lockerungen zu früh kamen…

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