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Kaiserschnitt? Kein Grund für schlechtes Gewissen oder Selbstvorwürfe!

Ich habe drei Kinder zur Welt gebracht. Das erste mit einem medizinisch notwendigem Kaiserschnitt. Das zweite mit einer natürlichen Geburt. Und das dritte ebenfalls – in einer Ruckzuckeinstundengeburt. Und was soll ich sagen? Es ist bei beiden Kindern dieselbe Mutterliebe, dasselbe magische Erlebnis und dasselbe Wunder der Geburt gewesen. Trotzdem hatte ich bei der Kaiserschnittgeburt das Gefühl, dass mir etwas fehlte, ja sogar, dass ich versagt hatte. Ein Gefühl, was sich bald legte und durch das Mutterglück überdeckt wurde. Denn das möchte ich Euch allen sagen: Lasst Euch kein schlechtes Gewissen einreden, dass es „nur“ ein Kaiserschnitt war. Es soll jetzt kein Verharmlosen des Kaiserschnitts werden, ich weiß um alle medizinischen Risiken. Mir geht es nur darum, Druck von uns Müttern und Schwangeren zu nehmen.

Was zählt ist das Ergebnis, nicht der Weg.

Die Art der Geburt sagt nichts darüber aus, was Ihr für Mütter seid.

Sie sagt nichts darüber aus, ob Ihr stark oder schwach seid, ob Ihr kämpfen oder über Euch hinauswachsen könnt. Das wurde mir schon bald nach den Geburten bewusst: Es ist egal, wie die Geburt war. Was zählt, ist die Mutterliebe. Doch als ich letzte Woche auf dem schönen Blog von Einerschreitimmer von einem Geburtserlebnis las und von einer Mutter, die nach zwei Kaiserschnittgeburten mit sich haderte und sich Selbstvorwürfe machte, kamen meine Gefühle wieder hoch. Denn auch ich haderte nach der ersten Geburt mit mir, hatte Selbstzweifel in der ersten Zeit nach dem Kaiserschnitt. Denn es wird einfach so eine Glorifizierung um die natürliche Geburt betrieben, eine Glorifizierung, die mir gewaltig auf den Keks geht! Denn sie baut einen unheimlichen Druck auf uns Mütter auf. Als würden wir versagen, wenn wir es nicht auf natürlichem Wege „schafften“.

Was für ein Blödsinn!

Das Gefühl zu versagen nach einem Kaiserschnitt

Das mit dem Druck – den ich mir auch selbst machte – begann bei mir im Geburtsvorbereitungskurs bei einer, ich sag mal so…  etwas esoterisch angehauchten Hebamme. Spätestens beim Ausdruckstanz zu Duftkerzen hätte ich stutzig werden sollen.  Wir waren nicht auf einer Wellenlänge. Es ging viel um Krankenhaus-Bashing (wobei sie als Geburtshaushebamm ein Bild vom Krankenhaus hatte, das dem von vor 30 Jahren entsprach, die Realität sah bei mir ganz anders aus), um das Mystische und Magische einer natürlichen Geburt, um die Kräfte, die man als Frau entwickelt, um das besondere Erlebnis, das Reifen und so weiter. Nebenbei wurden auch PDA und Kaiserschnitt erwähnt – aber es blieb der Unterton: Teufelszeug das, nur im Notfall und selbst dann, bööööse. Das blieb haften im Unterbewusstsein.

Am Tag der Geburt kämpfte ich also. War hoch motiviert am Tönen und Atmen. Ich wollte unbedingt eine natürliche Geburt. Weil ich doch eine starke Frau bin. Weil ich doch nicht versage, nicht aufgebe. Ich doch nicht! Nun, ich kämpfte viele Stunden. Wollte es unbedingt. Dieses magische Erlebnis, das mystische Irgendwas. Über mich hinauswachsen, meinem Kind einen perfekten Start ins Leben geben.  Die nette Hebamme in dem übrigens sehr netten, sehr heimeligen und kuscheligen Krankenhaus (!) fragte immer wieder, ob ich nicht doch eine PDA wollte, aber ich lehnte ab. Ich doch nicht!

Nun, hätte ich sie bloß genommen. Denn ich bekam sie eh, als ich auf den Weg in den OP zum Kaiserschnitt war.

Denn mein Sohn hatte einen veritablen Dickkopf und was anatomisch nicht passt, kann auch durch noch so viel Tönen und Atmen und ich-will-das-Denken passend gemacht werden.

Beim zweiten Mal wollte ich es richtig wissen.

Nach dem Kaiserschnitt kamen die Zweifel

Die Geburt war dann tatsächlich magisch und wunderschön. Es wurde gelacht, alle waren nett und fürsorglich, das grelle OP-Licht ließ sich leicht ausblenden und der Kleine wurde mir wie nach einer natürlichen Geburt auch nach dem Kaiserschnitt sofort an die Brust gelegt und ich konnte mit ihm kuscheln und ihn kennenlernen, während man mich zunähte. Bonding geht natürlich auch nach einem Kaiserschnitt, und wenn die Mutter eine Vollnarkose hat, übernehmen das Bonding in der Regel die Väter – jedenfalls, wenn man sich ein entsprechendes Krankenhaus aussucht (schwarze Schafe gibt es leider immer). Ich weiß, es haben nicht alle Mütter so viel Glück mit ihrem Kaiserschnitt und wenn es schnell gehen muss und eine Vollnarkose wird, sieht die Welt noch einmal anders aus. Aber auch hier gibt es diesen ersten Augenblick, wenn man sein Baby zum ersten Mal sieht und fühlt – diesen Moment, der immer ein Wunder ist – denn da ist das Baby, was man vorher so viele Monate im Bauch hatte.

Was zählte, war dieser Moment, als wir uns kennenlernten, als ich den ersten Schrei meines Babys hörte, ihn zum ersten Mal in meinem Arm hatte. Das Drumherum war schietegal. Und außer welcher Körperöffnung er kam auch.

Doch danach setzten die Zweifel ein. Wäre es nicht doch gegangen? War ich zu schwach? Wäre eine normale Geburt nicht noch überwältigender gewesen? Musste dieser Kaiserschnitt wirklich sein? Sowohl meine Ärztin als auch die Hebamme versicherten mir immer wieder, dass es nicht anderes gegangen wäre, dass mein Sohn vielleicht sogar nicht mehr am Leben wäre. Oder ich. Ich bin froh, dass wir die medizinische Option Kaiserschnitt haben, weil sie Leben rettet. Das Mutterglück überdeckte die Zweifel und Selbstvorwürfe nach dem Kaiserschnitt schnell und bald schon spielte es keine Rolle mehr!

Mutterglück hat nichts mit der Art der Geburt zu tun.

Bis ich wieder schwanger war. Und alles wieder hoch kam. Diesmal wollte ich eine natürliche Geburt, komme was wolle! Und ich kämpfte wieder. Viele Stunden. Sehr viele Stunden. Als mir die Hebamme dann eine PDA anbot, nahm ich sie dankend an. Ohne mich schwach zu fühlen. Oder als Versagerin. Es war der richtige Zeitpunkt. Denn erst als die Schmerzen weniger waren, konnte ich entkrampfen und Platz machen für meinen Sohn. Es dauerte aber immer noch lange und die Wirkung ließ vor den Presswehen nach, so dass es doch noch ziemlich schmerzhaft wurde… und dann kam er auf die Welt und natürlich war die Geburt großartig und wunderschön und magisch.

Aber da war keine Erhellung, nichts Mystisches oder Über-mich-Hinaus-Wachsen. Es war eben das Wunder der Geburt, dieses unbeschreibliche Gefühl, sein Kind das erste Mal im Arm zu halten – wie nach der ersten Geburt, dem Kaiserschnitt. Nur dass ich diesmal erschöpfter war, ziemliche Schmerzen und sehr viel Blut verloren hatte. Während ich meinen Sohn im Arm hielt und das Mutterglück einsetzte, legte man vorsorglich die Blutkonserven bereit, die ich dann ein Glück doch nicht brauchte, aber es war knapp.

Schluss mit dem Druck, der auf uns Mütter lastet

Was soll ich sagen? Ich habe den Vergleich. Ich fühlte mich nach der natürlichen Geburt nicht anders oder besser oder erprobter als nach dem Kaiserschnitt. Da war kein erhabenes Gefühl, keine Bewusstseinserweiterung oder so ein Pipapo. Der einzige Unterschied war, dass ich nach dem Kaiserschnitt nach zwei Wochen wieder fit war und nach der natürlichen Geburt länger als sechs Wochen brauchte, bis die Schmerzen verblassten und ich wieder einigermaßen bei Kräften war. Bei der dritten Geburt allerdings war ich nach einem Tag schon wieder fit – aber es war ja auch das dritte Kind, dem zwei Kinder zuvor „den Weg freigemacht“ haben.

Ich will den Kaiserschnitt nicht beschönigen und schon gar nicht der natürlichen Geburt ihren Zauber absprechen – aber Euch zeigen: Glaubt nicht an diese Glorifizierung, diese sagenhafte Überhöhung der natürlichen Geburt! Seid stolz auf das, was Ihr geleistet habt, ob mit oder ohne Kaiserschnitt! Und man braucht keine natürliche Geburt, um eine echte Frau, eine gute Mutter zu sein. Und trauert dem Erlebnis nicht nach – es ist das Ergebnis, das zählt. Eure Kinder. Die Liebe. Die Tatsache, dass sie da sind. Konzentriert Euch auf die Kinder, auf die Liebe zu ihnen und lasst Euch nicht unter Druck setzen. Schaut noch vorne, nicht zurück.

Lasst doch diese Mommy-Wars und Wettbewerbe um das perfekte Muttersein

Mir geht es so unglaublich auf die Nerven, dass wir Mütter uns ständig gegenseitig unter Druck setzen. Dass in Internetforen Mütter über andere Mütter lästern. Weil die einen Kaiserschnitt hatten, zu schwach waren, nur nicht genug gekämpft haben, aufgegeben haben, … Leute, hört auf damit! Ihr habt doch keine Ahnung, wie es war! Dasselbe gilt für die abwertenden Sprüche übers Nichtstillen. Es steht niemanden zu, sich da einzumischen. Ich kann diesen Absolutismus, der bei einigen Müttern herrscht, wirklich nicht leiden. Dieses Schwarz-Weiß-Denken, dieses alles oder nichts. Dieses „Zu einer guten Bindung und geborgenen Kindheit gehören Hausgeburt, Langzeitstillen, Stoffwindeln, Familienbett, Tragen, BWL und der Reboarder“. Dieses Denken in Kategorien, dieses Verurteilen von anderen Lebenswegen. Ich schätze den Attachment-Parenting-Gedanken sehr und habe vieles für unser Familienleben übernommen. Aber auch hier gilt:

Jeder muss sich seinen eigenen Weg suchen. Und zwar den für die eigenen Situation am besten geeignetesten. Ja, man kann verschiedene Lebensstile auch mixen! Ich habe lange gestillt, meine Kinder getragen, liebe das Familienbett, habe aber die billigen Windeln vom Drogeriemarkt gekauft, Breigläschen gefüttert und meine Kinder gegen alles inklusive Grippe (!) geimpft. Und dann noch ein Kaiserschnitt.

Ja, das geht! Sehr gut sogar!

Lasst doch dieses Mütter-Bashing. Diese ewigen Konkurrenzkämpfe, wer die beste, tollste, ökologischste Mutter ist. Jede von uns hat ihr eigenes Leben. Und ein Kaiserschnitt sagt gar nichts, rein gar nichts darüber aus, wie stark man als Frau ist, wie man kämpfen kann und schon gar nichts darüber, ob man eine gute Mutter ist!

Es gibt keinen Grund, sich unter Druck zu setzen, sich Selbstvorwürfe zu machen oder mit dem Schicksal zu hadern. Genießt lieber Euer Mutterglück, freut Euch über Eure Kinder und denkt nicht zurück!

Lasst Euch nicht unter Druck setzen.

Sollte ich noch einmal schwanger werden, würde ich übrigens einen spontanen Kaiserschnitt wählen: Zügiges Schnippeln nach Einsetzen der Wehen. Ich weiß um die medizinischen Risiken eines Kaiserschnitts und will den Kaiserschnitt auf keinen Fall verharmlosen oder gar dafür Werbung machen. Denn wie ich sagte: Jede von uns hat ihren eigenen Weg. Alles, was ich will, ist Druck aus der Sache zu nehmen und anderen Müttern Mut machen.

Denn es gibt nicht wenige Mütter, die psychologische Beratung suchen, weil sie nach dem Kaiserschnitt ein schlechtes Gewissen und Versagensgefühle haben. Hallo?! In was für einer Welt leben wir, dass so etwas nötig ist?!  Und es liegt nicht an den Frauen, dass es nötig ist, sondern an denen, die den Druck auf die Mütter aufbauen. Die Frauen, die diese psychologische Hilfe suchen, spreche ich komplett frei. Es ist die Gesellschaft und allen voran andere Mütter, die diesen Druck aufbauen, der so etwas nötig macht.

Zeit, das zu ändern!

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