Was hilft bei einer Rektusdiastase? Interview mit einer Rektusdiastase-Beraterin

Ich habe drei Kinder auf die Welt gebracht – und das hat Spuren hinterlassen. Mit einigen kann ich gut leben. Andere störten mich. Wie die enorme Rektusdiastase, die nach der Geburt meines dritten Kindes geblieben war. Obwohl ich untergewichtig war und schnell die 20 Schwangerschaftskilos los war, sah mein Bauch auch drei Jahre nach der Geburt noch aus, wie im vierten Schwangerschaftsmonat. Ich trainierte und machte Übungen – doch an der Rektusdiastase änderte sich nichts. Nicht nur das Bäuchlein störte mich, auch das Gefühl, eine schwache Körpermitte zu haben. Bis ich mich im Frühjahr entschloss, dagegen anzugehen. Und zwar mit professioneller Unterstützung. Ich ließ mich von der Pränatal- und Postnataltrainerin und Rektusdiastaseberaterin Katharina Ohm beraten und bekam von ihr ein auf mich zugeschnittenes Trainingsprogramm. Das Ergebnis: Ich kann wieder enge Kleider anziehen und ich fühle mich viel stabiler! Was ich lernte: Ich hatte nach der letzten Geburt zu früh das falsche Training angefangen und dadurch die Rektusdiastase eher vergrößert als verkleinert. Was es zu beachten gibt und was bei einer Rektusdiastase hilft, dazu habe ich Katharin einmal befragt:

Ist eine Rektusdiastase normal?

Katharina: Zunächst einmal: Eine Rektusdiastase ist in der Schwangerschaft NORMAL und kann nicht verhindert werden. Studien haben ergeben, dass 100% aller Schwangeren im letzten Trimester eine Rektusdiastase entwickeln. Durch die wachsende Gebärmutter werden die Bauchmuskeln zur Seite geschoben und gedehnt werden. Auch die bindegewebige Linea Alba, die aus den Bauchmuskeln gebildet wird, wird gedehnt, gestreckt und wahrscheinlich auch überdehnt und ausgedünnt. Manchmal mehr, manchmal weniger. Abhängig von den Genen, Bindegewebsbeschaffenheit, Größe des Babys, Fruchtwassermenge, Größe der Mutter usw.

Es ist nie zu spät, die Rektusdiastase zu schließen“

Viele Mütter denken, wenn sie zu spät anfangen, dann ist der Zug abgefahren, dass man die Rektusdiastase noch in den Griff bekommen kann und seine Mitte stärken kann. Wieso ist es nicht zu spät, auch so wie ich drei Jahre nach der Geburt des Kindes etwas zu tun?

Katharina: Die Körpermitte besteht unter anderem aus Muskeln, Faszien, Bindegewebe usw. Diese Strukturen können immer – ein Leben lang- trainiert und gestärkt werden. Aufgrund der hormonellen Situation ist es kurz nach der Entbindung einfacher und schneller, weil der Köper regenerationsfähiger ist. Es sollte in den ersten 8 bis maximal 12 Wochen die natürliche Regeneration der Bauchmuskeln stattfinden. Das heißt, innerhalb dieser Zeit sollten sich die Bauchmuskeln in ihre korrekte, funktionelle Position zurückgefunden haben und die Linea Alba wieder straff und funktionstüchtig sein. Das gilt generell, aber vor allem wenn du den Bauchinnendruck erhöhst (Husten, Niesen, Klogang,…). Wenn das nicht der Fall ist, dann solltest du tatsächlich den Fokus auf die Behandlung der Rektusdiastase legen. Aber zu spät ist es nie und jede Frau kann mit Training und einem schonenden Alltagsverhaltens auch Jahre nach der Geburt viel erreichen: Es lohnt sich also immer mit dem Training zu beginnen, die Wahrnehmung zu schulen, das Alltagsverhalten zu reflektieren und umzustellen, die Haltung zu verbessern, die Atmung zu optimieren und die Muskulatur zu kräftigen.

Wann sollte man etwas für eine stabile Körpermitte tun?

Katharina: Bei Rückenschmerzen im Lendenwirbelsäulen-Bereich, bei Schulter- und Nackenbeschwerden, aber auch bei einem Bäuchlein, als wäre man immer noch schwanger oder wenn die Ansteuerung des Beckenbodens schwer fällt und man generell ein instabiles Gefühl in der Körpermitte hat.

„Nicht nur die Breite der Rektusdiastase ist entscheidend“

Ist nur die Größe der Rektusdiastase entscheidend? Welche Kriterien sind noch ausschlaggebend?

Katharina: Neben der Größe der Rektusdiastase (1-2 Fingerbreit sind normal) ist die Beschaffenheit und die Stärke der Körpermitte ausschlaggebend. Die unter den geraden Bauchmuskeln liegende Bindegewebsplatte mit ihrer Naht Linea Alba und der tief liegende Bauchmuskel (Transversus) sind nach einer Schwangerschaft häufig schwach, ausgedünnt und überdehnt. Es geht also immer um die Kräftigung und Funktionalität aller Teilsysteme und nicht nur um das Schließen der Rektusdiastase. Eine Frau mit 2 Finger großem Spalt und kräftiger/funktionaler Linea Alba kann eine funktionelle Körpermitte haben und muss also nicht daran arbeiten ihren Spalt zu schließen – es geht also nicht nur um die Größe des Spaltes. Ertastet man zwischen den geraden Bauchmuskeln aber ein „Loch“ bzw. entsteht bei Innendruck eine „Wulst“ und es ist sehr weich in diesem Bereich, sollte ein Training erfolgen, um die Körpermitte zu stabilisieren. 

Welche Probleme macht eine schwache Körpermitte, abgesehen von den optischen?

Katharina: Rückenschmerzen (LWS + Schulter / Nacken), instabiles Gefühl der Körpermitte, Beckenbodenprobleme und Inkontinenz. Aber auch ein nach vorne gewölbter Nabel, Hernien, Haltungsprobleme oder vorstehende / unbewegliche Rippen.

Falsches Verhalten nach dem Wochenbett beeinflusst die Rektusdiastase

Welche Fehler werden häufig beim Training nach der Schwangerschaft gemacht?

Katharina: Oft ist es ein falsches Alltagsverhalten, also zu früh zu schwer haben, kein Wochenbett, zu früh falsches Training, bei dem zum keine korrekte Ansteuerung der Körpermitte erfolgt und Übungen im Rückbildungskurs nicht genau ausgeführt werden.  Es gibt auch zu wenig Aufklärung zu dem Tabuthema „Beckenboden und Körpermitte“. So etwas wie Tröpfchen in der Hose werden als „normal“ hingenommen und es wird zu selten thematisiert.

Welche Bewegungen sollten anfangs unbedingt vermieden werden?

Katharina: Zu schweres Heben/Tragen, Aufrollen und Abrollen aus der Rückenlage, zu starkes Ansteuern der Körpermitte, Überlagerung der tiefen Bauch- und Beckenbodenmuskulatur  und permanentes Aktivieren des Beckenbodens. Auch der Beckenboden braucht Entspannung, das darf bei allem Training nicht vergessen werden.

Ich war selbst überrascht, wie schnell sich Erfolge bemerkbar machten, obwohl ich die ersten zwei Wochen ja eher sanfte Bewegungen gemacht habe: Wieso ist dieser sanfte und sehr achtsame Einstieg so wichtig?

Katharina: Die Achtsamkeit in der Ansteuerung muss erst einmal geschult werden. Dazu gehört, dass Atmung, Haltung, Funktionalität der Bauch-/Rücken-/Beckenbodenmuskulatur ausgewogen und im Gleichgewicht sind. Dies bedarf viel Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die Vorgänge in der gesamten Körpermitte. Wird dies alles beachtet, ist ein intensives und sehe effektives Training möglich. Wenn diese Basis geschaffen wird, das Alltagsverhalten verändert wird, ist der Erfolg sehr schnell spür- und sichtbar.

Wann wieder „normal“ Sport nach der Geburt getrieben werden kann, ist individuell

Wann kann man wieder mehr an Übungen machen? Auf was sollte man dabei achten?

Katharina: Wenn die Teilsysteme der Körpermitte in ihrer Funktionalität und im Gleichgewicht sind, der Abstand zwischen den geraden Bauchmuskeln auf 1-2 Finger reduziert und die Sehnenplatte in ihrer Kraft ist, kann wieder anders trainiert werden. Aber das Bewusstsein, wann die tiefe Muskulatur überlastet, man den Innendruck im Bauchraum nicht halten kann, ist der Taktgeber für Sport und die folgenden Übungen. Dies ist sehr individuell.

Welche Vorteile hat eine starke Körpermitte im Alltag?

Katharina: Eine stabile Körpermitte macht eine aufrechte Haltung, was den Bauch flach macht und für eine schöne Ausstrahlung sorgt. Ist die Mitte stark, hat man weniger Rückenschmerzen oder Nackenverspannungen. Eine starke Mitte sorgt außerdem für mehr inneres Gleichgewicht, eine optimierte Atmung und mehr Entspannung und Ausgeglichenheit.

Das kann ich aus meinen eigenen Erfahrungen so bestätigen!

Ich war überrascht, wie effektiv das Trainingsprogramm war, das Katharina auf mich zugeschnitten hatte. Dabei hatte ich am Anfang das Gefühl, erst einmal wieder einen Schritt zurückzugehen. Statt Bauchmuskeltraining und intensivem Yoga setzte ich mich wieder mit meinem Beckenboden auseinander und machte sanfte, aber sehr effektive Übungen. Dabei blickte ich sehr nach innen und fing an, meine Körpermitte Stück für Stück von innen heraus zu stabilisieren. Das Training zog dann aber gut an – und wurde ziemlich knackig und gut! Nach den ersten zwei Wochen konnte ich die ersten Verbesserungen sehen und fühlen und nach zehn Wochen noch sehr viel deutlicher. Nicht nur Rektusdiastase hat sich verkleinert, der Bauch ist flacher geworden (ich trage nach drei Jahren endlich wieder einen Bikini!) und ich merke, dass insgesamt meine Körperhaltung sehr viel aufrechter geworden ist. Was ich ebenfalls super fand: Mir ist der ganze Bereich der Körpermitte mehr in den Fokus gerückt und ich gehen durch das Training sehr viel achtsamer durch meinen Alltag. Mehr über Katharina, die hier in Lübeck nicht nur Pränataltraining anbietet, sondern auch Trageberatung und andere Kurse, findet ihr auch auf www.katharina-ohm.de

Mein neues Buch ist da! „Das Kind wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“.

Kennt Ihr auch  meine anderen Bücher?

 „Afterwork Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Familie glücklich machst.“
  Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein: Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter 

Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“

Und mein Kinderbuch: Der Blaubeerwichtel

Kennt Ihr eigentlich schon mein Kochbuch? „Das Familienkochbuch für nicht perfekte Mütter“ – dort findet Ihr mehr als 80 Rezepte – unkompliziert nachzukochen und zu backen!

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