Teilzeit für beide Eltern: Wieso das Modell stärker unterstützt werden sollte

Ich gebe es zu: Es gibt eine Sache, die mich immer wieder ärgert. Die Tatsache, dass ich als Mutter immer wieder damit konfrontiert werde, dass ich doch bitte Vollzeit arbeiten soll. Wegen der Rentenlücke. Wegen der Gleichberechtigung. Damit ich mich als Frau nicht schlechter stelle als der Partner. Und natürlich stimmt es ja – wenn wir Teilzeit arbeiten wegen der Kinder, dann büßen wir in der Regel Rentenpunkte ein. Dann verdienen wir weniger. Dann ist es leider auch in vielen, ach Quatsch, wohl den meisten Fällen so, dass der Großteil der Hausarbeit damit auch an den Frauen hängen bleibt. Weil man ja eh nachmittags zuhause ist. Da kommt dann wieder das „sie hält dem Mann den Rücken frei“ ins Spiel. Und schwupps geht es zurück in alte Rollenmodelle, die man ja eigentlich hinter sich lassen wollte. Aber eines stört mich: Dass aus diesen unbestritten richtigen Punkten die Forderung resultiert, als Mutter solle man doch bitte Vollzeit arbeiten. Um gleichberechtigt zu sein. Was aber – wenn man es nicht will?! Ich möchte meine Kinder nun mal nicht acht Stunden in der Betreuung haben! Es ist ja auch ein emotionales Ding! Ich möchte mit ihnen Zeit verbringen, bevor sie so groß sind, dass sie nicht mehr mit mir Zeit verbringen wollen! Viel zu selten wird ein anderer Lösungsansatz diskutiert: dass beide Eltern reduzieren und Teilzeit arbeiten. Das ist ein Ansatz, der viel stärker gefördert werden müsste. Stattdessen wird durch das Ehegattensplitting das Gegenteil gefördert, nämlich, als Frau  deutlich weniger als der Mann zu verdienen.

Dabei ist es ja eigentlich der logischte Weg: Beide Elternteile reduzieren, damit beide mehr Zeit für die Kinder zu haben. Und so auch die Zeit, sich den Haushalt zu gleichen Stücken aufzuteilen. Ich frage mich immer wieder, wieso im Kreißsaal alle guten Vorsätze aufgegeben werden und Paare auf einmal in alte Rollenbilder zurückgeworfen werden. Das es so ist, ist nicht nur ein vages Gefühl, nein, es gibt handfeste Statistiken dazu. Ein Report des Familienministeriums fand folgendes heraus: 60 Prozent der Paare wollen zu gleichen Teilen arbeiten gehen und das Kind versorgen. Sagen sie vor der Geburt des ersten Kindes. Am Ende gelingt es ganzen 14 (!) Prozent der Eltern, Arbeit und Kindererziehung hälftig zu teilen.

Noch mehr Zahlen?

Im vom Allensbach Institut herausgegebenen „Familienmonitor“ sagen 70 Prozent der Mütter, dass sie die Arbeit mit Haushalt und Kind überwiegend alleine meistern.

Ich habe noch einige Zahlen, diesmal von der OECD: Frauen in Deutschland verbringen 165 Minuten am Tag mit Familienarbeit (Putzen, Kochen,  Kindern bei den Hausaufgaben helfen…) und Männer 90 Minuten. 70 Prozent der Mütter arbeiten, 40 Prozent davon in Teilzeit.  Mit durchschnittlich 20 Wochenstunden. Jahrelang. Im Schnitt steuern deutsche Mütter ganze 23 Prozent zum Familieneinkommen bei. Dafür übernehmen sie zwei Drittel der Hausarbeit und Kinderbetreuung (und immer häufiger auch Betreuung der Eltern und Schwiegereltern).

Wir schreiben das Jahr 2019.

Habe ich erwähnt, dass Deutschland das einzige OECD-Land ist, dessen Steuer- und Sozialsystem es ab einem bestimmten Einkommensniveau finanziell attraktiver macht, wenn die Frau deutlich weniger verdient als der Mann? Das Ehegattensplitting. Ich kenne nicht  wenige Mütter, die tatsächlich fast ganz aufgehört haben zu arbeiten, weil es sich finanziell nicht lohnt.

Geteilte Teilzeit für mehr Gleichberechtigung?

Soweit so gut oder eben nicht so gut. Was mich dabei stört, ist jedoch die automatische Schlussfolgerung, dass Frauen mehr arbeiten müssen, um mehr Gleichberechtigung zu erlangen. Das macht auch die OECD, die schreibt „In Ländern, in denen Frauen im größeren Umfang arbeite und es eine gut ausgebaute und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung wie etwa in Finnland und Schweden gibt, teilen sich die Eltern unbezahlte Arbeit ausgewogener auf.“

Was sicher stimmt. Und in der Folge werden Krippenplätze ausgebaut, um Frauen die Vollzeitarbeit zu ermöglichen. Was auch richtig ist. Denn der Bedarf ist da und bei vielen ist es schon finanziell gar nicht anders möglich.

Aber über eine andere Sache wird bei der Diskussion viel zu wenig geredet: Über den Weg, dass beide Eltern ihre Arbeitszeit reduzieren. Was sehr viele Eltern tatsächlich gerne machen würden  – es aber finanziell schlicht nicht stemmen können. Denn viele Mütter (und auch Väter) möchten ihre Kinder gar nicht in die Vollzeitbetreuung geben!

So geht es mir: Ich möchte mein Kinder nicht acht Stunden lang im Kindergarten haben. Ich bringe es emotional gar nicht übers Herz, so lange von ihnen getrennt zu sein. Dass ich sie um 14 Uhr abhole, hat nichts mit mangelnder Emanzipation zu tun, sondern schlicht mit meinen Gefühlen. Ich möchte mit ihnen Zeit verbringen, den Nachmittag, so viel wie möglich an ihrem Aufwachsen teilhaben. Und ich bin nicht die einzige mit diesen Gefühlen, da bin ich mir sicher.

Nun habe ich als Freiberuflerin das Glück, mir meine Arbeitszeit flexibel einzuteilen und so im Vergleich zur Vollzeitarbeit keine wirkliche Einkommenslücke zu verzeichnen (hat auch was mit der steigenden Produktivität zu tun, denn wir Teilzeit arbeitenden Mütter lernen einfach, unsere knappe Arbeitszeit super effektiv zu nutzen!). Aber das ist eine Luxussituation. Bei den allermeisten Frauen ist die Stundenreduzierung ja nun mal mit einer Einkommensreduzierung gleichzusetzen.

Deshalb hat das Modell „beide Eltern Teilzeit“ so viel Charme. Weil es beiden Eltern ermöglicht, sich Haushalt und Kinder hälftig aufzuteilen.

Was muss sich in der Gesellschaft ändern, damit auch Männer auf Teilzeit reduzieren?

Aber: Viele Firmen mögen keine Männer, die auf Teilzeit reduzieren. Gerade ab bestimmten Positionen kommt das gar nicht gut an. Auch im Jahr 2019 und ganz egal, was die Firmen vollmundig auf den Webseiten über Work-Life-Balance berichten. Die zwei Vätermonate bei der Elternzeit nehmen viele Firmen noch zähneknirschend hin, aber bei der Frage nach Teilzeit (auf die man ja Anspruch hat, auch MANN nicht nur Frau!) ist es dann vorbei mit dem Wohlwollen. Es gibt natürlich auch viele positive Beispiele – aber eben leider auch im Jahr 2019 noch etliche Arbeitgeber, die in dieser Hinsicht nicht so begeistert sind.

Das ist eine Sache, die sich ändern muss. Ich bin zuversichtlich, diese Sache wird sich ändern. Denn die Gesellschaft verändert sich. Aber das Tempo könnte etwas schneller sein. Manchmal steht sich die Gesellschaft bei sowas ja auch selbst im Wege, Ihr wisst, was ich meine.

Aber es gibt noch eine weitere Sache, die Eltern im Wege steht, wenn beide Teilzeit reduzieren: das liebe Geld. Denn natürlich ist mehr in der Kasse, wenn einer Vollzeit und einer Teilzeit arbeitet. Und nicht immer ist der finanzielle Spielraum da für zwei Teilzeit arbeitende Eltern. Selbst wenn der Wunsch noch so groß ist.  Und dann lockt im Hintergrund auch noch das Ehegattensplitting.

Weshalb ich dafür plädiere, eine gemeinsame Reduzierung auf Teilzeit viel stärker zu unterstützen! Zum Beispiel, finanzielle Anreize zu setzen, wenn beide Elternteile auf 30 Stunden reduzieren. Denn auch das ist ein Weg, um mehr Gleichberechtigung zu erreichen, sowohl finanzielle Gleichberechtigung als auch Gleichberechtigung in Sachen Haushalt und Kinder! In der Politik wurde es immer wieder mal kurz diskutiert und dann immer wieder irgendwie verworfen. Dabei finde ich diesen Ansatz um einiges moderner als das Ehegattensplitting. Ist es nicht auch im Zuge des Work-Life-Balance-Trends viel angebrachter, die dadurch gewonnen Familienzeit zu fördern?

Ich finde, dass man über diesen Ansatz viel stärker (nicht nur) in der Familienpolitik diskutieren müsste! Dazu gehört auch, dass man (egal ob Mann oder Frau) keine Angst vor einem Karriereknick oder sonstigen Schikanen am Arbeitsplatz haben sollte, wenn man die Arbeitsstunden reduziert. Und die Gewissheit bekommen sollte, unkompliziert wieder auf Vollzeit aufzustocken, wenn man möchte.

Einen Erfahrungsbericht darüber, wie es so läuft, wenn beide Elternteile auf Teilzeit reduzieren, habe ich übrigens hier auf dem Blog. Vielleicht inspiriert das ja zum Nachmachen :-)

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7 Kommentare zu “Teilzeit für beide Eltern: Wieso das Modell stärker unterstützt werden sollte

  1. Interessante Gedanken! Darüber machen wir uns auch hin- und wieder Gedanken, auch wenn es im Moment noch nicht aktuell ist, dass ich wieder arbeiten gehe. Und da wir nicht in Deutschland wohnen, sondern im schönen Österreich, die mehr finanzielle Mittel für Familien zur Verfügung stellen, muss ich auch wegen der Finanzen und Rente nicht zum arbeiten gehen, bis das jüngste Kind vier ist. Danach wäre es allerdings wünschenswert, wenn wir halbe halbe machen und das besprechen wir auch immer wieder durch, bisher immer mit dem Ergebnis, dass mein Mann sagt, er kann nicht zum Chef gehen und sagen, er möchte nur noch halbtags arbeiten. Dieser würde ihm den Vogel zeigen.

    Auch in anderen Branchen sieht man Halbtagskräfte nicht gerne, weil man die einfach nicht voll einsetzen kann. Meine Branche, die Pflege, würde es erlauben, allerdings ergeben sich darauf andere Probleme wie Feiertags- und Wochenendarbeit, was für das Familienleben nicht förderlich ist.

    Im Grunde ist es am einfachsten und stressfreisten für die Familie, wenn ein Elternteil zu Hause bleibt. Dann muss man sich um keine Ganztagesbetreuung kümmern und folglich da noch Geld bezahlen, die Arbeitsteilung ist fix geregelt und es muss sich nicht jeder um alles kümmern, was ich mir als recht chaotisch vorstelle….

    Wie sage ich immer: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Mythos. Es funktioniert, wenn es funktionieren muss, aber schön ist es in den wenigsten Fällen, weder für Eltern, noch für Kinder.

    Zudem kommt noch der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen, was auf den Erziehermangel zurückzuführen ist… aber gut.. anderes Thema.

  2. Ein wirklich schwieriges Thema. Bei uns ist es zumindest so aufgeteilt, dass einer beide Kinder bringt und der andere beide abholt. So hat jeder mal die einen oder die anderen Aufgaben. Gibt es Termine auf der Arbeit muss sich eben einer kümmern.
    Das Problem ist ja leider nicht nur die Arbeitszeit sondern auch der Weg. 30km und 3km sind da schon ein großer Unterschied. Und ich glaube wir sind da schon ziemlich Exoten, dass ich als Frau mit der Teilzeit (30 Stunden) den längeren Weg habe. Aber ich arbeite gerne und meine Freizeit ist dann eben überwiegend meine Pendelzeit.
    Aber wo wir bei Sachen sind die sich ändern sollten.. Vorteile für nicht verheiratete Eltern mit Kindern? Fehlanzeige..

  3. Ein sehr interessanter Artikel!

    Ich habe ein Kind und es wir immer zwischen 14-15 Uhr je nach Mittagsschlaf abgeholt .
    Mein Mamn und ich arbeiten beide „nur“ 80%.
    Ich werde dafür schräg angeschaut mein Mann wird dafür beklatscht .
    Unsere Tochter kann dadurch genauso lange bzw kurz fremdbetreut werden wie bei dir .

    Ich glaube viele Männer wollen auch nicht Teilzeit arbeiten , denn die passenden Gesetze gibt es dafür bereits . Ob man mit 100% und 50% mehr hat als mit 80% und 80% wage ich zu bezweifeln .

    Es ist auch gut möglich , dass manche Männer das als Schwäche ansehen oder oder .

    Moni vom Blog https://tausche-pumps-gegen-schlappen.de/

  4. Ich frage mich manchmal, ob eine generelle Reduzierung in vielen Berufsssparten nicht besser für die Gesellschaft wäre. Die meisten Erwachsenen wirken so, als stünden sie dauernd unter Strom. Und Kinder spüren das auch, bemerken den Stress. Oft ist zudem die Arbeitsstelle so weit vom Heim weg, dass viel Zeit auch aufgrund des Fahrweges drauf geht. Vielleicht würden alle, vor allem Eltern, entspannter leben, hätten sie mehr Zeit zum Durchatmen. Vielleicht wäre man genauso produktiv (wenn gar mehr), wenn man die Stunden reduzieren, jedoch gleich bezahlt würde. Ich frage mich, ob die Wirtschaft das verkraften könnte oder ob es doch wirklich so wichtig ist, dass alle ab 35 Stunden die Woche arbeiten.

  5. Toller Beitrag. Ich kann es nur empfehlen, dass beide Elternteile reduzieren. Als Papi möchte ich meinen freien Tag mit meinem Sohn nämlich genauso wenig missen, wie meine Frau ihren Tag. Wir arbeiten beide 80%, was vielleicht etwas viel ist manchmal, aber uns dann doch wieder etwas Freiheit gibt, gerade in finanziellen Belangen.

    Aber es ist schon so. Ich habe einige Kollegen, welche immer davon sprachen, dass sie dann auch reduzieren würden, wenn sie dann mal Kinder haben? Und heute arbeiten die meisten 100% und ihre Frauen sind daheim und sorgen für den ganzen Rest.

    Und zudem ist es schon so, dass man als teilzeitarbeitnder Vater als Superpapi gelobt wird, welcher sich Zeit nimmt für die Familie und als teilzeitarbeitende Mutter dann häufig schon fast als Rabenmutter, welche die Familie im Stich lässt. Eine Erfahrung, die wir immer mal wieder machen.
    https://www.querdurchdenalltag.com/rabenmutter-und-superpapi

    Trotzdem, wir würden es wieder so machen, denn es passt für uns.
    Liebe Grüsse, Stefan

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