#unseralltagistihrekindheit. Das ist nicht nur ein eigener Hashtag, sondern auch ein immer wieder gerne nett in Szene gesetztes Zitat, auf T-Shirts, Kaffeetassen oder Wandbildern. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich über diesen Satz gestolpert bin. Zunächst fand ich den Spruch gut. Auf den Punkt gebracht. Schlüssig. Eindrucksvoll erinnernd an das, was wirklich zählt. Aber beim näheren Nachdenken auch irgendwann ermahnend. Schlechtes Gewissen machend, wenn mal wieder so ein Tag war, an dem viel zu viel Alltag und viel zu wenig Kindheit war. Und dann fing dieser Satz an, mich furchtbar zu nerven. Ich muss gestehen, ich habe ein zwiegespaltenes Verhältnis zu diesem Satz. Denn Kindheit ist einfach noch viel mehr als unser Alltag! Glücklicherweise.
Nicht dass Ihr mich falsch versteht: Der Satz „Unser Alltag ist ihre Kindheit“ an sich ist nicht falsch. Wenn er richtig interpretiert wird. Es geht bei dem Satz definitiv nicht darum, den Alltag mit möglichst viel angenehmen Dingen und spannenden, anregenden und Erinnerungswerten Unternehmungen aufzuladen. Es geht bei dem Satz und überhaupt im Familien nicht um höher, schneller, weiter. Es geht auch nicht darum, ein ewigwährendes Bullerbü zuhause zu haben. Es geht nicht darum, nicht zu streiten, nicht zu meckern, weil, man könnte ja den Alltag und damit die Kindheit versauen. Nicht wenige Eltern fühlen sich unter Druck gesetzt von „Unser Alltag ist ihre Kindheit“. Bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn mal wieder ein Tag war, den man aus den Kindheitserinnerungen einfach streichen möchte. Der voller Termine war, an dem man gemeckert hat, viel zu wenig auf die Kinder eingegangen ist und abends einfach nur froh ist, seine Ruhe zu haben.
Alltag ist Alltag.
Mit all seinen Routinen und Verpflichtungen.
Wenn ich den Satz „Dein Alltag ist ihre Kindheit“ höre, dann weckt das in mir das Gefühl „ich muss den Alltag so auffüllen, dass sie eine schöne Kindheit haben“ – und das löst wiederum eine Form von Druck aus. Der Druck, dass der Alltag einfach besonders schön wird, besonders kindgerecht – denn schließlich habe ich ja durch das Gestalten meines Alltags gleichzeitig die Verantwortung dafür, dass meine Kinder eine schöne Kindheit haben. Denn welche Mutter will sich schon vorwerfen lassen, dass sie ihren Kindern keine schöne Kindheit beschert?! Versaue ich also die Kindheit meiner Kinder, wenn unser Alltag mal wieder nur aus echtem Alltag besteht – aus Einkaufen gehen, Wäsche waschen, Essen kochen und den Schulranzen für den nächsten Tag packen?!
Nein. Davor müssen wir keine Angst haben. Lasst Euch von „Euer Alltag ist ihre Kindheit“ nicht unter Druck setzen!
Es geht gar nicht darum, dass sich die Kinder an Highlights und Unternehmungen erinnern – sondern vielmehr an das Gefühl „ich habe meinen Platz in der Familie“, an das wohligwarme Kindheitsgefühl. An die Zusammengehörigkeit. Das Zusammensein, egal bei was. Wenn ich zurückblicke, erinnere ich mich nicht an die einzelnen Freizeitparkbesuche oder Waldspaziergänge – aber an Sonntage im Schlafanzug, an Diskussionen am Abendbrottisch, an das gemeinsame Kochen mit meiner Mutter und die Gespräche dabei, an all das, sogar ans gemeinsame Aufräumen oder das Rasenmähen. An eher unspektakuläre Dinge, die aber in ihrer Gesamtheit unseren Familienalltag und damit auch meine Kindheit ausmachten.
Es geht nicht darum, unsere Kinder in Watte zu packen, sondern sie in den Alltag einzubeziehen. Erinnerungen schaffen wir dadurch, dass wir gemeinsam den Alltag gestalten, unsere Kinder in der Hausarbeit mithelfen lassen, beim Einkaufen oder im Garten. Auch das ist Alltag. Es kommt nur aufs Wie drauf an: Wirklich gemeinsam statt nur nebeneinanderher.
Und, wir sollten kein schlechtes Gewissen haben, wenn ein Tag mal wieder so ein Tag zum Wegwerfen war. Wir zu wenig echte Zeit mit unseren Kindern hatten, zu viel geschimpft haben, zu müde waren, um den x.ten Legoturm zu bauen und das Vorlesen vorm Schlafengehen abgekürzt haben, weil wir dringend die Beine auf dem Sofa ausstrecken wollten. Denn Kindheit ist noch mehr als unser Alltag.
Es ist halt nicht nur #unseralltagistihrekindheit. Denn Kinder wachsen ja nicht nur isoliert in der Familie auf, sie machen Erfahrungen außerhalb der Familie, je älter sie werden umso mehr und das ist wichtig fürs Erwachsenwerden, das ist wichtig dafür, eine eigene Persönlichkeit zu werden. Wenn ich an meine Kindheit denke, dann ist da nicht nur die Familienzeit, sondern auch das gemeinsame Herumstrolchen in der Nachbarschaft mit anderen Kindern, da sind die Schultage, die Kindergartenfeste, die Woche Urlaub bei den Großeltern.
Kindheit – das ist das große ganze Gesamtbild, für das glücklicherweise nicht nur wir Eltern die Verantwortung tragen. Und deshalb ist mit dem „unser“ aus #unseralltagistihrekindheit nicht nur der Alltag von uns Eltern gemeint, sondern von dem ganzen Dorf, das es bedarf, um ein Kind großzuziehen!
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„Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.“
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Ich habe diesen Spruch immer anders aufgefasst. Einfach so, das was für uns alltäglich und vielleicht belanglos erscheint, für unsere KInder eine Bedeutung hat, die sie auch prägen wird. Für sie ist das was für uns alltäglich ist, spannend, neu. Für uns ist Abwasch nur Abwasch, für sie ist es ein Lernen wie fließendes Wasser funktioniert, wie Spüli schäumt, und Spaß am Plantschen. Für uns ist Autofahren nur Autofahren um von A nach B zu kommen, für sie ist es ein Lernen über Fortbewegung, Verkehrsregeln, die ganze Umwelt, ein „Event“ wenn es zu Oma und Opa geht usw.
Wenn wir nur selbst einmal daran denken, mit welcher Bandbreite an Emotionen wir uns an kleine Dinge des Alltags erinnern, die unser eigene Kindheit begleitet haben…und sei es nur die Tüte Malzbonbons, die mein Opa immer in der Tasche hatte.
Ich habe bei dem Spruch niemals Druck empfunden, den Alltag besonders toll zu gestalten. Jedoch ein geschärftes Bewußtsein dafür, dass für meinen Sohn das Leben noch anders läuft. Dass Kinder achtsamer sind für alles, und ihre Erfahrungen, die sie mit uns machen, später ihre inneren Vorlagen, ihre Schablonen über sich selbst, andere und die Welt bilden. Und dass mein Sohn womöglich einmal nostalgische Gefühle für Gegenstände, Orte oder Rituale etwas haben wird, die mir im Hier und Jetzt völlig banal erscheinen. ☺️
Danke für diesen Text!! Erst hatte mich der Spruch auch gerührt und begeistert, doch schon seit einiger Zeit empfinde ich ihn eher als Druckmacher….
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich dachte schon, ich bin die einzige, die von diesem Spruch genervt ist.