Neulich im Café beobachtet: Junge Mutter holt eine Thermoskanne aus dem Kinderwagen, fügt Milchpulver hinzu, schüttelt und gibt ihrem kleinen Baby das Fläschchen. Nicht ohne sich dreimal zu entschuldigen, dass sie ihr Baby ja leider nicht stillen konnte und es so gerne gemacht hätte. Einen Tag später entschuldigt sich eine Mutter im Kindergarten mehrmals dafür, dass ihr Dreijähriger noch im Buggy sitzt („er ist immer so müde nach dem Kindergarten und will nicht laufen“). Und beim Bäcker entschuldigt sich eine andere Mutter dafür, dass sie ihrem Sohn ein Milchhörnchen statt einem Vollkornbrötchen kauft („er hat sich den ganzen Tag darauf gefreut, aber sonst hole ich nur Vollkorn“). Wieder einen Tag später in der Kindergartengarderobe entschuldigt sich eine andere Mutter, dass sie ihrer Tochter einen Schneeanzug vom Discounter anzieht und kein teures Markenprodukt („der Anzug von XY ist ja gerade in der Wäsche“). Und im Biosupermarkt entschuldigt sich eine Mutter für ihre Babytrage, das Tragetuch sei ja gerade in der Wäsche. Was zum Teufel… ?! Man läuft durch die Stadt und ringsherum entschuldigen sich Mütter für ganz selbstverständliche Dinge, die, mit Verlaub, doch eigentlich niemanden etwas angehen. Die Windeln im Einkaufswagen sind für den Vierjährigen? Na und? Muss sich da jemand für rechtfertigen? Nein.
Dabei gab es noch nicht einmal hochgezogene Augenbrauen. Geschweige denn blöde Kommentare oder Fragen. Nein, die Entschuldigungen kamen ganz von allein. Fast schon reflexhaft. Wie ein Schuldeingeständnis. Aber wieso bitte muss sich jemand schuldig fühlen, weil nach der schwierigen Kaiserschnittgeburt mit Vollnarkose das Stillen einfach nicht klappte? Man muss es doch noch nicht einmal begründen. Ist doch eine ganz persönliche Entscheidung. Wieso muss sich jemand schuldig fühlen, weil das Kind im Buggy sitzen möchte? Woher kommen die Schuldgefühle, wenn man dem Kind nachmittags ein Milchhörnchen kauft? (mache ich doch auch) Oder weil der Vierjährige nachts noch Windeln braucht? Und was bitte ist so schlimm daran, wenn das Kind im Schneeanzug vom Discounter steckt und nicht im viermal so teuren Markenanzug?!
Eben. Nichts ist schlimm daran.
Und: Es geht auch niemanden anders etwas an.
Was mich an diesen Beispielen (und wenn man die Augen aufmacht, gibt es täglich etliche dieser Beispiele) am meisten schockierte, war, dass diese Rechtfertigungen so automatisch kamen. Ohne dass überhaupt jemand etwas vorher gesagt hatte. Oder schräg geguckt hatte. Es zeigt, was für ein Rechtfertigungsdruck auf den Müttern lastet. Und ich frage mich, wieso das so sein muss?! Was läuft schief in unserer Gesellschaft?
Entweder wurden sie schon so oft schräg angeschaut oder kritisch befragt, dass sie dem zuvorkommen wollen und immer gleich im Reflex ihre Entschuldigung hervorbringen. Oder aber sie haben ein schlechtes Gewissen oder Gefühl, dass sie sich damit auch vor sich selbst entschuldigen wollen.
Ich weiß nicht, welcher der Gründe schlimmer ist.
Denn wir Mütter müssen uns nicht rechtfertigen für diese ganz privaten Entscheidungen. Wir Mütter müssen uns nicht entschuldigen. Solche Dinge gehen schlicht niemanden etwas an. Es ist schließlich unser Leben. Unser Kind. Unsere Familie. Und unser ganz eigener Weg. Lasst Euch also kein schlechtes Gewissen einreden! Von niemanden. Und: Redet anderen kein schlechtes Gewissen ein! Das Leben ist doch viel schöner ohne hochgezogene Augenbrauen, Getuschel hinterm Rücken und blöde Kommentare. Lasst uns doch lieber zusammen lachen, zusammen über unsere Kinder freuen und uns gegenseitig unterstützen!
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Danke für diesen Beitrag! Ich ertappe mich selbst auch immer wieder dabei, dass ich mich dafür rechtfertige, gefragt werde, warum etwas so oder so mache oder ich habe schlicht das Gefühl mich rechtfertigen zu müssen. Ich finde das ist nicht gerade ein respektvoller, akzeptierender Umgang miteinander. Niemand handelt, wie er oder sie es tut, um irgendjemandem zu schaden. Entscheidungen sind in der Regel gut durchdacht. Ich fände es schön, wenn Andersartigkeit als positiver Aspekt des Lebens gesehen werden könnte. Schließlich können wir dadurch nur lernen und davon profitieren.
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich hab in den letzten Tagen oftmals das gleiche gedacht. Und ich erwische mich auch immer wieder dabei mich für Dinge zu entschuldigen, die niemanden etwas angehen. Ich glaube wir werden von der Gesellschaft in eine Ecke gedrängt, in der wir auch als Menschen nicht mehr gleichwertig sind. Schon gar nicht, wenn irgendetwas nicht der Norm entspricht. Und wir wollen ja einfach nur dazugehören.
Also, ich bin dabei- ich höre jetzt auf mich zu rechtfertigen!
Teilweise sind die Mütter als Gruppe betrachtet selbst Schuld. Heutzutage herrscht noch mehr Konkurrenzgehabe als früher. Was? du schaffst es nicht, die Wohnung sauber zu halten, gleichzeitig deine Kinder zu bespaßen und wenigstens sechs Stunden am Tag auf Arbeit zu sein? ICH schaffe das schon. Oder: WAS, du schmierst deinem Kind jeden Morgen etwas Süßes auf das Brötchen? Wie ungesund.
Solche Sachen verunsichern. Man vielleicht fängt sogar an, „Fehler“ bei den anderen Müttern zu suchen, um sich selbst wieder aufzuwerten. Und im nächsten Schritt lästert man mit jemandem darüber, was die anderen „falsch“ machen und gibt selbst Kommentare ab, die wiederum andere verunsichern.
Teufelskreis.
Dank des Internets geht es noch schneller und einfacher, Frust oder Unverständnis abzulassen. Und schwupp, eine neue Generation von Müttern, die sich für alles schon vorher entschuldigen, um den Wind etwas aus den Segeln zu nehmen (der vielleicht so gar nicht geblasen wäre).
Na ja,
die Vorgeschichte ist halt oft ein endloser Reigen von Situationen, in denen man zur Rechtfertigung genötigt wurde. Es braucht schon VIEL Resilienz, dem Druck derer standzuhalten, die „ihre“ Methodik mit Zähnen und Klauen propagieren (oft, um sich selbst zu beweisen, dass sie alles zu 100% richtig gemacht haben). Da herrscht der Psychoterror.
Ich stimm dir jedenfalls zu: Schluss mit dem schlechten Gewissen. Es gibt tausend Arten, Mutter zu sein, und in jeder Situation ist eine andere davon „richtig“. Und zwanzig andere sind auch noch sehr gut. Weitere hundert sind ziemlich ok, also: es wird schon passen, wenn man nachdenkt und viel hinspürt. Vielleicht nicht perfekt, aber: wozu auch?
Danke für deinen Mutmachtext!
Sehr schöner Text. Bei uns kommen jetzt vor allem von Kitaseite Dinge, die mich in Rechtfertigungspositionen bringen. Die Schwiergermutter konnte ich mir nich so einigeinigermaßen verknuspern. Aber den Druck von der Kita aus empfinde ich als sehr groß.