Kinderzimmer ausmisten – oder wie hieß noch mal der Typ, der den Stein den Berg hochrollt?!

Ihr habt schon mal von Sisyphos gehört? Der Grieche, der immer wieder unermüdlich den Stein den Berg hochrollt – und dann mit ansehen muss, wie der Stein kurz vorm Gipfel wieder den Berg herunterkullert. Also macht sich Sisyphos noch einmal an die Arbeit. Und rollt von vorne. Um dann wieder nur dabei zusehen zu müssen, wie der Stein nach unten rollt und er die ganze Arbeit noch einmal beginnen darf. Das war seine Strafe, die er in der Unterwelt ausrichten musste. Tag für Tag. Da geht es ihm so ähnlich wie mir: Die Unterwelt ist das Kinderzimmer. Der Berggipfel die Ordnung, die ich gerne hätte und nie erreiche. Und der Stein sind meine Kinder. Die aus unerfindlichen Gründen eine andere Auffassung von Ordnung und Ausmisten haben als ich. Egal, wie viel ich wann aussortiere, ob zusammen mit den Kindern oder heimlich, wenn sie abends im Bett liegen: Meine Aussortier-Versuche werden torpediert. Tagtäglich. Denn meine Kinder können sich einfach von nichts trennen!

Der Frühling steht vor der Tür. Die Zeitschriften sind voll mit Tipps, wie man sich von überflüssigem Ballast befreit. Wie man richtig ausmistet. Alles Überflüssige aussortiert. Die Stapel im Haus reduziert (meine persönliche Achillesferse, um bei den Griechen zu bleiben). Denn weniger ist mehr. Befreiend leere Regalbretter, Platz für das Wesentliche schaffen. Freie Flächen beruhigen den Blick, öffnen das Herz. In einem aufgeräumten Zimmer wohnt ein aufgeräumter Geist. Und so weiter.

Ich frage mich, was dann in einem unaufgeräumten Zimmer wohnt? Ein unaufgeräumter Geist? Wie mag so ein unaufgeräumter Geist aussehen?

Wahrscheinlich so wie meine beiden Jungs. Denn sie wollen sich einfach von nichts trennen. Für die guten Tipps in den Frauenzeitschriften sind sie immun. Ich zeige ihnen die aufgeräumten, cleanen und wohl durchgestylten Kinderzimmer aus meinem Instagram-Feed – aber sie zucken nur mit den Schultern. Kein Interesse an schicken Wänden, halbleeren Regalen mit skandinavischen Holzspielzeug und einem wohl überlegten Inneneinrichtungskonzept. Langweilig, finden sie. Wo ist das Spielzeug? Fragen sie. Wo sind die Legos? Wundern sie sich. Alberne Bilder an den Wänden, sagen sie dann. Da wohnen doch keine Kinder, fangen sie schließlich an zu lachen und geben mir mein Telefon zurück. Sprachen’s und verschwanden in ihr Chaoszimmer. Tür zu.

Rummsbumms. Kichern. Die Tür lässt sich nicht mehr öffnen, aber dafür haben sie nun eine Höhle und die Kuscheltiere auch. Krachbumm. Ach, das war nur die Legokiste, sie haben was gesucht und einfach mal alles ausgekippt. Boingboing. Das, was sie suchten, war nicht in der Legokiste, deshalb musste noch die Eisenbahnkiste dran glauben.

Ich seufze und schaue mir noch ein paar schöne pastellfarbene Kinderzimmer an und frage mich, wie die Eltern es schaffen, dass kein Legosteinchen auf dem Boden liegt und die Bücher im Regal so schön grade stehen.

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Kinder sind geborene Jäger und Sammler

Ach. Meine Kinder haben einfach zu viel! Wir müssen ausmisten. Dringend. Überflüssigen Ballast abwerfen. Hab da letztens ein Interview gelesen, dass Kinder viel kreativer spielen, wenn sie nicht so viel haben. Meinen Jungs ist das herzlich egal. Sie schauen mich etwas verständnislos an, als ich ihnen eröffne: „Jungs, wir wollen mal schauen, was ihr nicht mehr braucht. Dann habt ihr auch mehr Platz zum Spielen.“

Nicht mehr brauchen?!

Hä?!

Wir brauchen alles!

Wir haben doch genug Platz!

Ich mach es so, wie es in den Zeitschriften und Ausmist-Wohnberatern steht. Zuerst ziehe ich die Murmelbahn aus dem Regal. Damit haben sie schon ewig nicht mehr gespielt. Doch gerade jetzt fällt ihnen ein: Damit wollten wir doch lange mal wieder spielen! Statt aufzuräumen, muss jetzt unbedingt die Murmelbahn aufgebaut werden!

Ich schiebe sie seufzend ins Regal. Vielleicht ist es leichter, mit den Büchern zu beginnen. Das Buch hier, das ist doch für ganz kleine Kinder. Ihr wisst, was kommt, oder? Das haben sie gesucht! Das war doch so toll! Mama soll vorlesen. Nein, es kann nicht weg, es ist doch ihr Lieblingsbuch.

Und wieder rollt der Stein ins Tal und ich muss ihn erneut den Berg hinaufrollen.

Es hat keinen Zweck.  Ich lasse sie die Murmelbahn aufbauen und beschließe: Heute Abend. Wenn sie schlafen. Da mache ich aus diesem Chaosraum ein pastellfarbenes instagrammable Kinderroom. Öh Kinderzimmer. Instagramtauglich. Ihr wisst schon. Mit Wimpelkette und so ganz verschmitzt einer Holzeisenbahn-Lokomotive auf dem sonst leeren Regalbrett.

Aufräumen und Ausmisten im Kinderzimmer - Kolumne über den täglichen Kampf gegen die Windmühlen meine Kinder haben zu viel Spielzeug! #erziehung #kinderzimmer

Kinder können sich von nichts trennen

Die Jungs schlafen. Der große Moment ist da! Ich nehme zwei große Kartons und eine Mülltüte. Murmelbahn – ab auf den Dachboden. Vier halb gelutschte Bonbons in die Mülltüte. Meine ersten Wörter, ab zu den Babysachen. Das Gummikrokodil, was so furchtbar quietscht, ab zu den Flohmarktsachen. Ich schaue auf die Baggersammlung meines Kleinen: Fünf Bagger reichen, beschließe ich und packe den grünen Bagger ebenfalls in die Flohmarktkiste. Und so geht es munter weiter. Nach zwei Stunden rinnt der Schweiß, sind die Flohmarktkartons voll und der Dachboden auch.

Instagramtauglich ist hier nichts, der Geist fühlt sich auch nicht aufgeräumter an, aber das Kinderzimmer sieht immerhin aus wie ein aufgeräumtes Kinderzimmer.

Der Rest wird schon noch kommen.

Denke ich.

Aber der Stein bleibt einfach nicht oben auf der Bergspitze liegen. Wie bei Sisyphos rollt er wieder ins Tal. Unaufhaltsam.

Denn meinen Jungs ist das aufgeräumte Kinderzimmer sehr suspekt. Um es gemütlicher zu machen, kippen sie erstmal die Legos aus. Und richten es sich so richtig kuschelig ein, indem sie noch ein paar Holzeisenbahnschienen um sich herumdrapieren und die Bücher aus dem Regal reißen.

Sie suchen nämlich das Buch mit den ersten Wörtern. Für ihre Schwester. Ganz plötzlich. Nach drei Jahren wird dieses Buch gebraucht. Ich hole es. Und damit kommt der Stein ins Rollen. Ins Tal hinab. Natürlich.

„Wo ist das Krokodil?!“

„Wo ist die Murmelbahn?“

„Wo ist der grüne Bagger?“

Klar, dass sie es jetzt alles unbedingt und sofort brauchen. Und damit sowieso so gerne spielen und unter keinen Umständen drauf verzichten können.

Ach Sisyphos, beschwere Dich bloß nicht über Deine Strafe! So einen Fels den Berg raufrollen, das ist doch pillepalle. Wenn Du wissen willst, was wirklich schwer ist, dann komm und hilf mir beim Kinderzimmer ausmisten!

Ausmisten  und Aufräumen mit Kindern: Ein Ding der Unmöglichkeit? Wie gelingt es, Ordnung im Kinderzimmer zu halten?

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8 Kommentare zu “Kinderzimmer ausmisten – oder wie hieß noch mal der Typ, der den Stein den Berg hochrollt?!

  1. Liebe Nathalie,
    Vielleicht etwas allgemeiner, als „nur“ auf permanent explodierte Kinderzimmer bezogen und vielleicht auch ganz passend heute zu der Nachricht, dass die Kitas noch länger geschlossen sein werden:
    Tatsächlich ist (Camus) Sisyphos mein eines großes Vorbild in meinem Leben. Echt jetzt. Denn laut Camus muss man sich ihn glücklich vorstellen. In dem Moment, in dem er sich umdreht und seinen Stein herab rollen sieht und ihm hinter her läuft, hat er die Fäden für sich in der Hand anhand seiner Sicht der Dinge die Situation für sich zu deuten. Also mit seinem Schicksal zu hadern oder eben glücklich zu sein, gerade auch weil „jetzt erst recht“. Der Gedanke an Sisyphos hat mich schon öfter aus einem Dunkel geleitet.
    Also mein Kommentar ging jetzt weit über die tägliche Beobachtung der exponentiellen Entropie Zunahme der Unordnung im Haus hinaus (als Physikerin finde ich das echt spannend manchmal) 🙈😂, aber vielleicht macht das gerade etwas Mut, können wir alle gerade gut gebrauchen.
    Liebste Grüße vom
    MamaWolf

  2. Mein Sohn ist mittlerweile 15 und hat an Spielzeug eigentlich kein Interesse mehr (obwohl sein Kinder- äh, Jugendzimmer noch etliche Kuscheltiere und Schleich Figuren beherbergt).
    Das mit dem Chaos kenne ich von früher nur zu gut.
    Ich habe auch immer heimlich ausgemistet (vieles das noch wie neu war habe ich gespendet).
    Finde das hinter dem Rücken ausmisten auch nicht so toll aber mein Sohn hatte so viel Spielzeug dass ich schon gar nicht mehr wusste wohin damit….und das obwohl ich schon mit 21 Mutter wurde und mitten im Studium praktisch kein Geld hatte.
    Die Verwandtschaft findet ja immer etwas was man dem lieben Kind schenken kann.

    Jetzt ist mein Sohn bald erwachsen und ich noch jung da freue ich mich schon auf meinen „aufgeräumten“ Lebensabend. :-)

  3. Bei uns ist das auch so. Wenn ich aufräume, entdeckt meine Tochter auch immer wieder Dinge, die sie ganz unbedingt zum Spielen braucht. Das kann dann schon mal der Ikea Lauflernwagen sein, der seit fünf Jahren in der Abstellkammer steht oder ein Puzzle mit vier Teilen. Meist sind die Sachen dann aber nur ein paar Tage interessant und dann wandern sie wieder in die Abstellkammer. Natürlich nicht ohne den Hinweis, dass sie da noch eine Weile stehen müssen. :-)

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