Irgendwie geht ja dieser Wahlkampf diesmal an mir vorbei. Vielleicht, weil wir zwei Monate Ferien hinter uns haben und viel unterwegs waren. Vielleicht aber auch, weil es dieses Jahr irgendwie etwas lahm zugeht. Ich dachte, das TV-Duell könnte etwas Fahrt in die Sache bringen – und war dann enttäuscht, dass Flüchtlings- und dann die Außenpolitik mehr als die Hälfte der Sendezeit einnahmen. Ohne Zweifel wichtige Themen. Ganz am Rande ging es dann um das Thema, was einen als Mutter von kleinen Kindern besonders interessiert: die Familienpolitik. Überhaupt ist dies ein Thema, was in diesem ganzen Wahlkampf nur am Rande eine Rolle zu spielen scheint. Wieso eigentlich? Sind wir Familien zu unsichtbar, müssen wir uns mehr zeigen, mehr ins Bewusstsein der Politik rücken? Ziehen wir uns so sehr in unsere Komfortzone zurück, dass unsere Belange einfach vergessen werden?
„Wir wollen noch einmal richtig reisen, bevor das mit Kind nicht mehr geht“
„Wenn wir essen gehen, gehen wir nur zu unserem Italiener, den mit der Spielecke, sonst kann man ja mit Kindern nicht mehr essen gehen“
„Nachmittags einen Kaffee trinken gehen? Seit ich Kinder habe, backe ich lieber selbst. In Cafés fühlen wir uns nicht so wohl.“
„Seit wir Kinder haben, mieten wir uns nur noch eine Ferienwohnung. Nicht weil wir es uns nicht leisten können, aber in einem Hotel fühlen wir uns fehl am Platz.“
„Ins Museum können wir mit unserer Tochter nur am Kindertag.“
Wenn die Kinder kommen, fangen viele vorher unternehmungslustige Menschen an, sich zurückzuziehen. Der Urlaub wird nur noch im Ferienhaus maximal ein bis zwei Stunden vom Heimatort entfernt gebucht. Aus Angst, dass sich die Kinder daneben benehmen könnten, werden Restaurants ganz gemieden. Oder nur zu Zeiten betreten, wo sonst kaum jemand da ist. Zum Kaffeetrinken wird ein Familiencafé aufgesucht oder gleich der Kaffee aus der Thermoskanne auf dem Spielplatz getrunken. In Museen sieht man fast nur Grauhaarige in beigen Jacken.

Wir Familien müssen uns mehr zeigen und mehr fordern, damit wir von der Politik nicht vergessen werden.
Wo bleiben die Kinder, die neugierig die Details auf den Bildern erforschen wollen? Die kommen dann zu speziellen Kinderveranstaltungen. Die ja per se nicht schlecht sind – aber wieso halten wir Eltern uns so zurück? Wieso ziehen wir uns aus der Öffentlichkeit zurück?
Wieso werden Restaurants von Kinderlosen dominiert?
Versteht mich nicht falsch. Ich bin ein Fan von gegenseitiger Rücksichtnahme. Ich will hier nicht dazu aufrufen, mit krakeelenden Kindern ins Restaurant zu gehen, die mit Löffeln Essen durch die Gegend katapultieren oder bei anderen Restaurantgästen an der Tischdecke ziehen. Ich will hier nicht dazu aufrufen, die Kinder im Museum Fangen zu spielen und dabei alle Exponate anzugrabbeln und durch die Beine fremder Museumsgäste zu krabbeln. Nein, ich will auch nicht dazu aufrufen, dass Ihr Eure Kinder morgens um sieben über Hotelflure flitzen und dabei laut „Es geht eine Zipfelmütz“ singen lasst. Nein. Kinder sollten schon früh lernen, dass man auf andere Rücksicht nehmen soll. Sie können das auch. Viel früher als wir oft denken. Sie verstehen das auch. Aber Kinder können das ja nur lernen, wenn man sie es auch lernen lässt. Und ihnen auch die Chance gibt, dass es mal nicht so klappt mit dem Leisesein im Museum. Denn Kinder sollen natürlich auch Kinder sein dürfen. Und Kinder sind nun mal keine kleinen Erwachsenen!
Aber viele Erwachsene vergessen das. Besonders die, bei denen es schon lange her ist, dass ihre Kinder klein waren. Und bei denen es damals auch anders war – man die Kinder tatsächlich wie kleine Erwachsene erzog. Und das sind dann die, die genervt die Augenbrauen heben, wenn eine Familie ein Restaurant betritt. Die im Hotel um ein Zimmer bitten, was nicht gerade neben der Familie mit den drei Kindern liegt. Und eben jene Erwachsene müssen wir Eltern immer wieder daran erinnern, wie schön das Leben mit Kindern ist. Und WIE das Leben mit Kindern ist. Und vor allem daran: Dass zum Leben auch Kinder gehören!
Stattdessen ziehen sich viel zu viele Familien in ihre Komfortzonen zurück. Auf die Spielplätze, in die Familiencafés oder die Restaurants mit Spielecke. In die Familienhotels oder gleich in die Ferienwohnung. Klar mag ich Restaurants mit Spielecke – aus dem egoistischen Grund, dass meine Kinder dann fröhlich spielen und ich in Ruhe aufessen kann. Aber wieso hat eigentlich nicht jedes Restaurant eine Spielecke? Weil wir Eltern vergessen werden? Weil einige Restaurants vielleicht gar keine Familien wollen? Ich mag auch Familienhotels und Ferienwohnungen. Kinderfreundliche Hotels sind super, besonders, wenn es Programm für die Kinder gibt und Extraessen. Und eine Ferienwohnung ist auch klasse, weil man seine eigenen vier Wände hat. Aber wieso hat eigentlich nicht jedes Hotel ein paar Spielsachen für Kinder oder kindgerechtes Essen auf dem Buffet? Weil sie keine Kinder wollen oder weil sowieso keine Familien kommen?
Wer nicht sichtbar ist, wird schnell vergessen
Ich habe manchmal das Gefühl, dass es eine Mischung ist aus: Wir Familien sind nicht erwünscht und wir Familien werden schlicht vergessen. Und deshalb sollten wir sichtbarer werden. Uns nicht einfach verdrängen lassen. Sondern ganz selbstbewusst in die Welt hinaus gehen. Auch mal dahin, wo sonst keine Familien unterwegs sind. Um zu zeigen, dass es noch Kinder gibt in dieser Gesellschaft. Dass Kinder wunderbar sind und keine Plagen. Und um zu zeigen, dass wir Familien auch unsere Interessen haben, dass wir Teil der Gesellschaft sind. Den man bei wichtigen politischen Diskussionen nicht einfach vergessen kann.
Denn das ist leider die Folge, wenn man sich zu sehr zurückzieht und unter sich bleibt: Man wird vergessen. Das öffentliche Leben wird von anderen bestimmt. Geht mal abends in ein Restaurant und zählt das Verhältnis von Familien und Rentnern! Kein Wunder, dass den Rentnern ständig Wahlgeschenke gemacht werden – bei denen einem keiner sagt, wie unsere Kinder das Rentensystem in 20 Jahren einmal finanzieren sollen. Kein Wunder, dass über das Renteneintrittsalter mehr diskutiert wird als über gebührenfreie Kitas.
Wir Familien müssen einfach sichtbarer werden. Und auch lauter. Wir müssen auf uns aufmerksam machen. Wir müssen deutlich machen, dass es nicht reicht, uns einfach ein paar Euro mehr Kindergeld im Monat zu geben. Dass das nicht die Familienpolitik der Zukunft sein kann. Ein paar Euro mehr in der Tasche und damit hat man seine Aufgaben erledigt? Nein, liebe Politiker! So nicht.
25 Euro mehr Kindergeld löst die Probleme nicht, die Familien heute haben
Es liegt nicht an 25 Euro im Monat, dass so viele Paare auf Kinder verzichten oder auf ein zweites Kind. Es liegt an den vielen ungelösten Fragen, die uns Eltern und auch werdende Eltern nicht beantwortet werden: Werde ich nach der Elternzeit einen Krippenplatz finden? Lohnt es sich überhaupt zu arbeiten, wenn mich ein Krippenplatz fast 400 Euro im Monat kostet (soviel kostet ein Vollzeitkrippenplatz hier bei uns in Lübeck)? Kann ich an meinen alten Arbeitsplatz zurück nach der Elternzeit? Oder werde ich dann als Teilzeitarbeitende irgendwo anders „geparkt“? Werde ich dann eigentlich jemals wieder in Vollzeit arbeiten können? Und wie soll ich als Teilzeitarbeitende jemals genug Rente haben, um über die Runden zu kommen?
Kann ich als befristet Angestellte in der Forschung eigentlich jemals Kinder bekommen? Wenn ich mich nur von Zweijahresvertrag zu Zweijahresvertrag hangel? Was machen wir, wenn unsere 20 Kinderkrankenpflege-Tage erschöpft sind und unser Kind noch länger krank ist? Können wir überhaupt zusammen Sommer-Urlaub machen, wenn der eine während der drei Wochen Kitaferien frei machen muss und der andere drei Wochen, wenn die Schulferienbetreuung dicht macht? Und was macht man als Alleinerziehende, wenn die Ferien von Kita und Krippe nicht in einen Zeitraum fallen? Man hat ja nun mal nur 30 Tage Urlaub im Jahr.
Es gibt noch viele weitere Fragen, die uns nicht ausreichend beantwortet werden. Wir Eltern sollten sie lauter stellen. Antworten fordern. Noch lauter, noch häufiger. Und uns nicht mit einer Kindergelderhöhung abspeisen lassen. Oder mit einer Finanzspritze für die Sanierung von Schultoiletten? (ganz ehrlich: Lernen unsere Kinder besser, wenn sie eine 1A-Schultoilette haben oder gibt es nicht dringendere Dinge in Sachen Schulpolitik zu erledigen?!) Denn nicht alle Probleme lassen sich mit Geld lösen! Ein bisschen mehr Kreativität und Wirklichkeitsnähe können wir von unseren Politikern erwarten, oder was meint Ihr? Vielleicht auch mal ein über den Tellerrand blicken. Gerade unsere Nachbarn im Norden machen uns in Sachen Kinderfreundlichkeit viel vor. Schaut mal nach Schweden und Finnland und welchen Stellenwert Familienpolitik dort hat! Dort könnten unsere Politiker noch einiges lernen.
Aber das Problem ist, dass wir Eltern einfach zu wenig Zeit haben. In der Rushhour des Lebens sind. Die uns nur wenig Raum lässt, uns zu engagieren. Weil wir eh schon nicht wissen, woher wir die Zeit nehmen sollen, die Wäsche aus dem Wäschekorb in den Schrank zu sortieren. Und so verwundert es nicht, dass in der Kommunalpolitik fast nur angegraute Rentner sitzen (oft auch noch Beamte oder aus dem öffentlichen Dienst, die von der freien Wirtschaft wenig Ahnung haben). Und die sollen dann über die Zukunft unserer Kinder entscheiden. Gibt es hier eigentlich kreative Ansätze, wie man junge Eltern besser unterstützen kann, auch politisch aktiv zu werden?!
Familienpolitik darf kein Randthema sein – denn Kinder sind die Zukunft
Ich bin es leid, dass Familienpolitik oft nur ein Randthema ist. Dass ältere Menschen eine größere Lobby haben als unsere Kinder. Aber damit sich das ändert, müssen wir Familien einfach wieder mehr in den Fokus geraten! Und da müssen wir selbst ran und uns in den Fokus schieben! Uns sichtbar machen statt in unseren Komfortzonen sitzen zu bleiben. Weil es da so schön gemütlich ist.
Denn wer sich nicht zeigt, der ist irgendwann auch selbst Schuld, wenn er vergessen wird.
Deshalb: Zeigt Euch! Macht auf unser Leben aufmerksam! Zeigt, wie schön das Leben mit Kindern ist, damit andere wieder mehr Lust auf Kinder bekommen!
Es ist kein Zufall, dass in Ländern, wo Kinder ganz selbstverständlich am Erwachsenenleben teilnehmen, die Geburtenraten höher sind (schaut nach Schweden, Finnland oder Frankreich). Kinder müssen wieder viel selbstverständlicher ein Teil unserer Gesellschaft sein. Damit sie nicht länger vergessen werden. Denn viel zu oft sind Politiker sehr kurzsichtig und planen heute Dinge, die unsere Kinder in 20 Jahren ausbaden müssen.
Wir Familien sind schließlich die Zukunft unseres Landes. Also lasst uns einfach mehr Nachdruck verleihen. Das geht schon durch mehr Präsenz im Alltag, damit man uns nicht länger vergisst. Los geht’s!
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Hallo,
der Text trifft total meinen Nerv. Ich habe 3 Kinder. Im Moment steht bei uns Kiga-Eingewöhnung, Einschulung und weiterführende Schule an. In den letzten Tagen ergaben sich dabei öfter Situationen, in denen ich politisch gesehen oft schlechte Laune bekommen habe.
Ich hatte erst heute mit meinem Vater ein Gespräch, welche Partei man eigentlich wählen kann, in Bezug auf das Thema „Familie“. Denn irgendwie habe ich auch den Eindruck, dass in diesem Wahlkampf dieses Thema keine große Beachtung bekommt.
Liebe Grüße
Tabea (AnMoMi Blog)