Wieso meine Kinder in den Kindergarten gehen

Mir scheint, als sei es grad ein wenig in Mode gekommen, über Kindergärten (Achtung: Kindergarten, nicht Krippe!) herzuziehen und seine Kinder selbst zu betreuen. Da werden Horrorgeschichten von Kindergärten erzählt und immer häufiger hört man:  Da betreue ich doch meine Kinder lieber selbst zuhause. Versteht mich nicht falsch, jeder lebt sein Leben und muss das für sich und sein Kind selbst entscheiden. Aber ich möchte eine Lanze brechen für die Kindergärten, Erzieherinnen und auch Tagesmütter, die sich Tag für Tag den Hintern aufreißen, um trotz knappester Ressourcen unseren Kindern einen spannenden, lehrreichen und liebevollen Kindergartenalltag zu ermöglichen! Denn trotz aller Horrorgeschichten darf man eines nicht vergessen: Es gibt sie, die tollen Kindergärten, die liebevollen Erzieherinnen und sie machen einen klasse Job! Der nicht immer einfach ist. Und außerdem bin ich der festen Überzeugung: Kindergarten ist NICHT Fremdbetreuung. Ein guter Kindergarten tut unseren Kindern gut, vor allem in den drei Jahren vor der Schule und leistet etwas, was wir Eltern zuhause gar nicht leisten können: Dieses komplexe soziale Gebilde mit all seinen Gruppenregeln, lässt sich durch nichts ersetzen.

Ich muss zugeben, es war für mich am Anfang nicht einfach, meine Kinder in die Betreuung zu schicken. Vor allem beim ersten Kind fiel mir dieser Schritt schwer.  Aber als Selbständige musste ich die Arbeit wieder aufnehmen, es ging nicht anders. Trotzdem fiel die Eingewöhnung schwer!  Mir ehrlich gesagt schwerer als ihm.

Plädoyer für den Kindergarten: Wieso es Kinder voranbringt, was Kinder dort für die Schule und das weitere Leben lernen und wieso Erzieherinnen eine großartige Arbeit leisten.

 

Eine Lanze brechen für all die Erzieherinnen, die das Beste aus knappen Kassen machen

Doch meine Zweifel waren schnell widerlegt. Denn trotz aller knappen Budgets hängen sich die Erzieherinnen richtig rein in ihre Arbeit. Sie sind für die Kinder da, wenn sie weinen. Sie nehmen ein Kind in den Arm, wenn es morgens einen schlechten Tag hat und sich schwer von seiner Mutter trennen kann. Sie denken sich jeden Tag neue lustige Bastelideen aus, sie basteln Kreatives aus leeren Schachteln und Eierkartons, mit dem, was sie im Wald sammeln – mit Dingen, die nichts kosten, denn das knappe Budget einer städtischen Kita schränkt leider auch die Bastelmaterialien ein. Statt zu lamentieren, lassen sie sich was einfallen. Und stecken die Kinder damit an.

Es werden Ausflüge gemacht, in den Wald, in Museen, auf den Bauernhof, zur Feuerwehr. Und im Garten gibt es statt teurer Spielgeräte, für die ein städtischer Haushalt wenig Geld über hat, alte Treckerreifen und Obstkisten aus Plastik – mit denen die Kinder Zug, Einkaufsladen oder Eismann spielen. Kinder brauchen nicht viel zum Spielen. Schon gar keine teuren Spielgeräte. Sie haben so viel Fantasie. Und da ist eine Obstkiste dann halt der Eisenbahnwaggon.

Die Erzieherinnen unterstützen das Spielen der Kinder. Denn in unserem Kindergarten steht das Wichtigste für die kindliche Entwicklung im Vordergrund: Das freie Spielen. Und so spielen die Kinder und spielen mit den anderen Kindern. Und lernen so ganz nebenbei fürs Leben.

Natürlich wird im Vorschuljahr auch auf die Schule vorbereitet, die Zahlen geübt, beim Essen auf den Umgang mit Messer und Gabel geachtet, beim Malen Wert darauf gelegt, dass der eigene Name aufs Bild geschrieben wird. Aber auch für die Vorschulkinder gilt: Spielt, was das Zeug hält und bewegt Euch!

Der Kindergarten macht Kinder selbständig, stark und stärkt ihre sozialen Kompetenzen

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in keinem Ausnahmekindergarten sind. Es ist ein ganz normaler städtischer Kindergarten. Einer, wo sich die Leitung ein Konzept überlegt hat und mit ihrer Begeisterung für die Kinder die Erzieherinnen angesteckt hat. Es ist ein Kindergarten, von dem es viele gibt. Natürlich kann man Pech haben. Ich kenne selbst Antibeispiele. Aber wenn man die Augen aufmacht, dann findet man diese Erzieher-Perlen, diese erfinderischen Kindergartenleiterinnen, die sich jeden Tag etwas Neues einfallen lassen, wie man mit Personalmangel und Geldnot das Beste aus dem Kindergartenalltag herausholen kann – das Beste für unsere Kinder!

Verteufelt die Kindergärten nicht, schert nicht alle Erzieherinnen über einen Kamm. Sondern schaut genau hin. Und selbst wenn es mal ein schlechtes Erlebnis gibt, eine Äußerung Euch allzu rüde erschien – dann gebt noch eine zweite Chance.

Vorverurteilung und zu schnelle Verurteilung sind nie gut. Einen schlechten Tag hat jeder mal und nicht immer kennt man die Vorgeschichte. Die Erzieherin antwortet nur genervt auf die Nachfragen, ob Euer Kind heute gut gegessen hat? Überlegt mal, wenn Euch 20 Eltern innerhalb von 30 Minuten diese Frage stellen. Während Ihr ein verletztes Knie verarztet, einen Legohubschrauber repariert und ganz nebenbei die Liste der abgeholten Kinder abhakt. Da ist es auch gestattet, nach einem acht Stunden Arbeitstag bei der 20. Frage nicht mehr ganz so ausführlich zu antworten.

Kindergarten ist die beste Vorbereitung für Schule unnd Leben: Meine Meinung. Diskussion über Erziehung. Wieso meine Kinder in den kindergarten gehen.

Das Sozialgefüge im Kindergarten lässt sich durch nichts ersetzen

Wenn man den richtigen Kindergarten gefunden hat, dann ist es eine gute Sache. Die Kinder nur fördern kann. Denn was unsere Kinder dort im Kindergarten mitnehmen, dass können wir ihnen zuhause nicht geben. Und noch mal: Ich will in diesem Text nur über den Kindergarten sprechen, über die entscheidenden Jahre vor der Schule. Also die Kinder ab 3 und älter! Eine Diskussion über die Krippe führt in diesem Fall zu weit. Das ist ein anderes Thema.

Natürlich können wir zuhause basteln und malen (ganz ehrlich – hättet Ihr Lust darauf, es jeden Tag drei Stunden lang zu machen?!) mit unseren Kindern. Natürlich können wir mit ihnen die Zahlen von 1-10 üben. Natürlich können wir mit ihnen singen und auf der Trommel rumschlagen. Natürlich können wir zuhause vorlesen und über die Bücher sprechen. Und unsere Kinder können zuhause oder in kleinen Gruppen bei Freunden auch genauso gut Kaufmannsladen spielen oder Lego bauen. Wir können auch nachmittags zum Kinderturnen oder zur Kindermusik gehen, wo das Kind auf andere Kinder trifft.

Malen mit Fingerfarben

ABER dieses soziale Gefüge im Kindergarten, das können wir zuhause und nein auch nicht in kleinen wechselnden Selbstbetreuergruppen nachbauen.

Ein komplexes soziales Gefüge im Kindergarten bereitet auf die Schule vor

Denn das soziale Gefüge im Kindergarten ist komplex. Da gibt es die eigene Gruppe, dann gibt es altersübergreifende und auch noch andere Gruppen im Kindergarten, die man beim Draußenspielen oder Mittagessen auch noch sieht und mit denen man klarkommen muss. Dann gibt es die Erzieherinnen, die Kindergartenleitung, die Eltern der anderen Kinder. Ein komplexes Gebilde, in dem Kinder sich behaupten müssen. Wodurch sie unglaublich viel lernen. Sozialkompetenz, die wir ihnen so nicht beibringen können. Weil wir das einfach nicht simulieren können. Weder in der Familie noch in selbstausgewählten Selbstbetreuergruppen – wo die Kinder immer auf Kinder treffen, die wir Eltern ihnen auswählen. Im Kindergarten treffen sie auf Kinder, die sie sich nicht aussuchen. Auf Kinder, die sie nicht mögen. Auf Eltern, die wir Eltern nicht mögen. Auf Erzieherinnen, die man nicht so gerne mag. Und auf viele, viele Gruppenregeln.

Und mit all dem müssen sich unsere Kinder  arrangieren. Jeden Tag. Das ist die beste Vorbereitung für die Schule! Und für das weitere Leben! Denn leider können wir nicht unser ganzes Leben lang aussuchen, mit wem wir zu tun haben und ob wir die Regeln gut finden.

Es ist eine Welt, in die wir Eltern Vertrauen haben müssen. Es ist ein Loslassen, was wir üben müssen. Was mal leichter, mal schwerer fällt.

Aber was – egal wie bindungsorientiert wir leben (und ich lebe sehr bindungsorientiert, habe z.B. immer getragen, habe bis zum dritten Geburtstag gestillt und das Familienbett gibt es bei uns auch…)! – Kinder und auch wir Eltern lernen müssen. Kinder brauchen den Kindergarten, um selbständig zu werden, um gesellschaftliche Regel zu lernen, um zu lernen, sich zu behaupten. Sie gewinnen dadurch an Selbstbewusstsein, sie schöpfen daraus eine Kraft, die wichtig für das ganze weitere Leben ist.

Ganz abgesehen von diesen vielen kleinen Erlebnissen, die ohne Eltern noch viel aufregender sind.

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Auch wenn die Eingewöhnung schwer fällt, wir müssen unsere Kinder diesen Schritt machen lassen. Damit sie ihre Flügel entfalten können.

Ganz abgesehen davon, dass ich das Wort Fremdbetreuung furchtbar finde, denn wie schrieb schon die wunderbare Tollabea: Es ist ja gar keine Fremdbetreuung, wenn man die Erzieherinnen erst einmal kennt. Denn unsere Kinder verbringen ihren Tag nicht mit Fremden. Sondern mit ihren Freunden. Und mit Erzieherinnen, die sich um sie kümmern, die ihnen so viel mitgeben.

Deshalb: Schaut Euch Eure Kindergärten genau an, sucht einen guten Kindergarten, geht mit den Erzieherinnen ins Gespräch und vertraut Euren Kindern. Sie machen das schon, so alleine im Kindergarten und gehen gestärkt nach Hause.

Und ich bin überzeugt davon: Gerade das letzte Jahr vor der Schule ist so wichtig.

Überlegt mal, wie krass der Übergang zur Schule sein würde, wenn man vorher nicht all die sozialen Kompetenzen im Kindergarten trainiert hätte?!

Na also. Jeder muss es selbst entscheiden. Denn jeder hat sein eigenes Lebensmodell.

Aber lehnt den Kindergarten nicht von vorneherein aus ideologischen Gründen oder weil eine Bekannte ja so Horrorgeschichten erzählt hat, ab! Gebt dem Modell Kindergarten eine Chance! Vertraut den Erziehern. Und: Man kann im Kindergarten mehr mitgestalten, als man meint – und so Einfluss aus das tägliche Umfeld seines Kindes nehmen! Und es gibt so viele Arten von Kindergärten – wenn man sich umschaut, entdeckt man sicher den, der zum eigenen Lebensstil passt und zum Kind (noch wichtiger als der Lebensstil!) passt.

Und noch mal…. es ging hier um den Elementarbereich, die Kinder von 3-6 Jahre. Die Sache mit der Krippe, darüber schreibe ich ein anderes Mal, das würde nun wirklich den Rahmen sprengen :-)

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26 Kommentare zu “Wieso meine Kinder in den Kindergarten gehen

  1. ….Und es schadet sicherlich auch keinem Kind, in eine Krippe oder einen Kindergarten zu gehen. Ich möchte es so halten, dass es jede/r für sich entscheiden darf (sofern es keine Alternativen gibt), ob er/sie sein Kind in den Kinderkarten/die Krippe gibt oder nicht. Ich glaube nicht, dass es pauschal so oder so besser oder schlechter ist. Es kommt – wie eigentlich so oft – auf das Individuum an.

    Für mich daher alles gut, ob im Kindergarten/der Krippe oder zuhause betreut. Ich bin froh, dass ich in meiner Entscheidung frei sein konnte, um mich damals für „unseren Weg“ zu entscheiden. Anders sieht es sicherlich aus, wenn wirtschaftliche Gründe oder was auch immer dem eigenen Wunsch entgegenstehen, aber auch dann möchte ich niemanden ver- oder be-urteilen für seinen Weg.

    Viele Grüße

    Anni

  2. Ich möchte es noch ausweiten. Selbst ein schlechter Kindergarten mit unmotivierten Erzieherinnen und einer Leitung die lieber Geld in die eigene Tasche steckt, statt in die geplanten Maßnahmen ist besser als zu Hause.
    In so einer Kita war meine Große (heute 11) Die Möglichkeiten, vor allem unter anderen Kindern hatte sie zu Hause nicht. Die Möglichkeit sich zu vergleichen, sich von Gleichaltrigen etwas abschauen, auch den größten Mist ;-) ist unendlich wichtig.
    Das was Mütter tun die ihre Kinder zu Hause behalten ist nicht „natürlich“ schon in der Steinzeit waren Kinder fremd betreut, von großen Kindern, alten Frauen der Sippe, die Mütter waren unterwegs, oder hatten schon das nächste Baby. Mamas sind für was ganz anderes da.

    • Die Kinder in der Steinzeit wurden nicht fremdbetreut sondern im Clan. Und zu sagen, ein Kind habe es zuhause schlechter als im Kindergarten!? :-O Das ist jetzt ziemlich unfair allen Eltern gegenüber, die ihr Kind zuhause betreuen möchten! Abgesehen davon schadet es keinem Kind, die ersten 3 Jahre seines Lebens vorwiegend zuhause zu verbringen.

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  4. Bei mir ist diese „Problematik“ schon länger her, aber ich kann mich gut daran erinnern. Einige aus der „Mutter-Kind-Gruppe“ hier im ländlichen waren schier verzweifelt, dass ihr Kind nun in den Kindergarten gehen MUSS. Es ist doch daheim viel schöner. Sie bekommen daheim auch was gutes zu essen (huestel) und sind individuell betreut und bla. Ich konnte es einfach nicht mehr hören. Später wundern sich alle, dass die Jugend keinen sozialen Kompetenzen aufweist. Man suche doch bitte den Zusammenhang.

  5. Ein toller Beitrag! Danke dafür 😊 Unsere Zwillinge sind bald 3 und gegen 2 Tage in der Woche in die Kita. Anfangs war ich skeptisch. Wir haben jedoch keine anderen Betreuungsmöglichkeiten während ich arbeite und so suchten wir 2 Krippenplätze. Und was soll ich sagen? Die Kinder lieben diese Tage und freuen sich immer sehr auf die anderen Kinder und ihre liebsten Betreuerinnen. Ich pflege einen offenen und herzlichen Umgang mit ihnen, schliesslich sind sie in der Welt meiner Kinder wichtig. Wir haben grosses Glück mit ihnen und sie haben meinen grössten Respekt für ihre Arbeit! Und ich bin überzeugt, dass die Kita den Alltag unserer Kinder bereichert und sie Wertvolles fürs Leben lernen.

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