Rushhour des Lebens – Kinder, Karriere, Haus, Altersvorsorge: Eine Generation im Dauerstress?

Ich bin 34 (wenn ich es geschrieben sehe, merke ich erst, wie alt das ist!) und somit mittendrin in der sogannten „Rushhour des Lebens“. Das ist der Begriff, den Soziologen der Zeit zwischen 30 und Mitte 40 verpasst haben. Hört sich busy an, unheimlich schick,edgy, was auch immer –  und irgendwie furchtbar. Rushhour, das erinnert an Dauerstau, volle Bahnen und Busse und vor allem viel Stress. Stress ist ja heutzutag auch schick. Überstunden sind gesellschaftlich höchst anerkannt!

Lübecker Weihnachtsmarkt, Karussellfahren, Weihnachtsmarkt, Familienurlaub

In der Rushhour des Lebens dreht sich alles manchmal zu schnell.

Und das soll unser Leben sein?! Dauerstress und Dauerstau?!

In der „Welt am Sonntag“ war jüngst ein Artikel über unsere Generation. Der Tenor: Noch nie hatte es eine Generation so stressig wie wir. Noch nie musste eine Generation so viel aufeinmal meistern wie meine. Genau jetzt muss man sich mächtig ins Zeug legen, um Karriere zu machen. Genau jetzt muss man fürs Alter vorsorgen, am besten noch privat, nicht nur durch möglichst viele Einzahlungen in die öffentliche Rentenkasse. Genau jetzt wollen wir aber auch Kinder haben, haben kleine Kinder, bringen kleine Kinder auf die Welt. Und für die wollen wir ja auch nicht nur von 17-20 Uhr und von 7 bis 8 Uhr da sein. Eigentlich. Genau jetzt wollen wir aber auch Häuser bauen oder kaufen, Wohnungen kaufen, umziehen, die Entscheidung zwischen Stadt und Land treffen.

Generation Dauerstress: Zu viele Projekte auf einmal ?

Achja. Und wir wollen unsere Hobbys haben, Freunde treffen, mal zum Brunchen ausgehen und natürlich Urlaub machen (am liebsten im Sabbatical, aber wer kann das schon, ein paar Jahre nach Berufseinstieg beim Erklimmen der Karriereleiter), denn wer weiß, ob wir im Alter noch fit genug dazu sind oder überhaupt genug Geld dazu haben – denn wir wissen, wir müssen privat vorsorgen, weil die Rente nicht ausreicht und überhaupt, Altersarmut, teurer Wohnraum und so. Ihr wisst schon. Generation Dauerstress.

Das ist sie also: die Rushhour des Lebens.

Wir wollen alles, müssen alles und irgendwie ist das ganz schön viel. So viel, wie noch keine Generation vor uns hatte, sagen die Soziologen. Das liegt daran, dass wir immer später erwachsen werden (darüber hatte ich hier mal geschrieben): Die Ausbildungen gehen immer länger, die Kinder kommen immer später und unsere Lebensläufe verschieben sich nach hinten. Früher ging es mit der Karriere erst so richtig los, als die Kinder in die Schule gingen. Weil sie ja auf die Welt kamen, als man Mitte 20 war. Das Durchschnittsalter für das erste Kind hat sich von Mitte 20 auf 30 nach hinten verschoben! Heute fällt halt alles auf diese Zeit zwischen Anfang 30 und Mitte 40.

Rushhour

Und wir sind selbst Schuld dran. Nunja, nicht alle. Aber viele.

Ich will jetzt nicht jammern. Denn wir haben es ja eigentlich auch nicht anders gewollt. Naja, einige jedenfalls. Nach dem Studium wollte ich erst mal arbeiten, dann machte ich mich selbständig und wollte erst einmal in dieser Selbständigkeit etabliert sein. So geht es vielen. Man will ja nicht gleich nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit in den Mutterschutz gehen. Wer einen befristeten Vertrag hat, wie mittlerweile fast jeder vierte Berufsanfänger (!), überlegt es sich sowieso zweimal, ob man da mit dem Kind nicht noch wartet.

Ansprüche an Eltern: Legen wir die Messlatte viel zu hoch?

In der „Eltern“ ging es grad auch um dieses Thema: der Dauerstress der heutigen jungen Eltern. Zwei Drittel der Eltern finden, dass die Ansprüche an sie heute größer sind als bei früheren Elterngenerationen. Da stand aber auch, dass wir uns viel von diesem Stress selbst machen: 41 Prozent der Eltern fühlen sich vor allem durch eigene Ansprüche unter Druck gesetzt. Es gibt auch genug andere Studien, die von einem erhöhten Burnout-Risiko und allem, was damit verbunden ist sprechen.

Machen wir uns diesen Dauerstress also selbst? Was denkt Ihr? Fühlt Ihr Euch unter Stress? Merkt Ihr etwas von der Rushhour?

Ich für meinen Teil fühle mich nicht unter Dauerstress, auch wie eine ewige Rushhour kommt es mir auch nicht vor. Aber ich sehe schon, dass vieles zutrifft. Nämlich, dass wir mehr als frühere Generationen in diesen paar Jahren auf einmal bewältigen. Es ist halt einfach Fakt, dass Ereignisse wie Familiegründen, Karrieremachen, Altersvorsorge und Häuslebau in immer mehr Fällen zusammen in genau diese wenigen Jahre fallen. Es ist auch einfach Fakt, dass wir Eltern uns mehr Stress als früher machen, wie wir unsere Kinder erziehen sollen und wie wir sie bestmöglichst auf das Berufsleben vorbereiten sollen. Schon bei den Neugeborenen wird uns ständig suggeriert, dass man genau hier anfangen soll, um sie auf die Uni vorzubereiten (denn drunter geht es natürlich gar nicht, und natürlich, wir sprechen nicht vom Bachelor, Master muss es schon sein und am besten dreisprachig mit binationalem Abschluss und integrierter Doktorarbeit – klar, dass das der Lebenslauf des neugeborenen Mäuschens mal so vorsieht – Ironie wieder aus).

Weniger Stress: Freimachen von den Ansprüchen der Gesellschaft

Aber ich will mich von diesem Stress, diesen selbstgestellten und von der Gesellschaft gestellten Ansprüchen frei machen. Klappt nicht immer. Geb ich zu. Bei Euch?! Es ist nicht einfach, sich umzudrehen und allen den Mittelfinger zu zeigen. Finde ich. Aber ich fühle mich als Mutter nicht unter Dauerstress. Ein bisschen angestrengt, ja, das schon.

Aber es nicht so, dass ich durchs Leben ziehen und mich ständig unter Druck fühle und denke, Mensch, das musst Du noch erledigen und das und überhaupt all diese Staus in dieser Rushhour!

Aber ich habe auch das Glück als Freiberuflerin nicht unter dem Druck zu stehen, Vollzeit arbeiten zu müssen oder mit als Teilzeitmutter mit einem nicht ganz so familienfreundlichen Arbeitgeber auseinanderzusetzen. Und wir haben unseren großen Umzug ins eigene Haus gemacht, bevor die Kinder da waren (Umziehen mit Kindern?! Das IST Stress, da bin ich mir ganz sicher).

Eltern in der Rushhour des Lebens: Stress mit Erziehung, Eltern pflegen und Karriere - muss das sein?

Die Zeit mit den Kindern genießen statt durchs Leben zu hetzen

Aber trotzdem, manchmal denke ich, ja, da ist eine Art Rushhour. Besonders in den Momenten, wenn ich meine Kinder sehe und sehe, wie schnell die beiden groß werden. Und wie sehr ich eigentlich diese Zeit genießen möchte. Und sie nicht nebenher neben vielen anderen Projekten laufen lassen möchte. Ich will diese großartigen Entwicklungsschritte nicht verpassen, die sie in den ersten Jahren machen. Und auch wenn es schon sehr anstrengend sein kann, einen Nachmittag lang Rollenspiele mit einem Dreijährigen zu spielen oder sie abends nur mit einer Stunde Kuscheln ins Bett begleiten kann – es ist doch auch schön und viel zu schnell vorbei! Viel zu schnell sind sie groß und gehen ihre eigenen Wege und wir sitzen wieder da, allein in unseren vier Wänden und können nun endlich unsere Bücher lesen, die wir jetzt nicht schaffen und stundenlang sinnlos im Internet surfen.

Also. Mein Vorsatz ist: mehr genießen, weniger stressen lassen, weniger gleichzeitig machen und wenn die Kinder da sind, einfach für sie dazusein und nicht immer denken, ich verpasse etwas, wenn ich jetzt nicht SOFORT auf mein Smartphone schaue.

Nunja. Ab und zu darf auch das sein. Denn auch eine Mama braucht Pause. Und darf sinnlos im Internet surfen. Oh ja. Aber das ist ein anderes Kapitel :-) Wollt Ihr Tipps, wie man als Mutter mehr Zeit fuer sich hat und einem Burnout vorbeugen kann? Genau darueber habe ich ein Buch geschrieben!

Oder wie seht Ihr das? Fühlt Ihr Euch in der Rushhour des Lebens? Und Dauerstress?

Willkommen bei der ganznormalenMama! Wollt Ihr  familienfreundliche Reisetipps? Oder kinderleichte Rezepte? Oder Lustiges, Nachdenkliches aus dem Mamaalltag? Dann stöbert im Archiv und folgt mir per Email,  auf Facebook, bei Instagram oder Pinterest – ich freue mich auf Euch!

Und wusstet Ihr, dass mein neues Buch Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein: Das Selbsthilfebuch für gerade noch nicht ausgebrannte Mütter auf dem Markt ist?  Und natürlich immer noch erhältlich ist mein Ratgeber zum Thema zweites Kind: „Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder.

 

14 Kommentare zu “Rushhour des Lebens – Kinder, Karriere, Haus, Altersvorsorge: Eine Generation im Dauerstress?

  1. Ach, ein tolles Thema! Immer wieder gerne mit Mitmüttern diskutiert und eigentlich sind wir uns doch einig: wir haben es nicht leicht. Nicht, dass unsere Eltern oder Großeltern nicht ihre Päckchen zu tragen gehabt hätten, aber alles erfüllen zu müssen, was so im Allgemeinen verlangt wird, ist hart. Unsere Generation hat das Glück Männer zu haben, die sich um Ihre Kinder bemühen und Zeit mit ihnen verbringen möchten. Das ist immernoch wesentlich weniger, als das die Mütter tun, aber ich würde sie schon als anwesender und teilnehmender bezeichnen, als noch ihre Väter oder Großväter. Den „Preis“ den wir Frauen dafür zahlen, ist, dass wir uns zwischen Beruf und Kindern entscheiden sollen. Oder wie selbstverständlich alles wuppen sollen. Kommt noch das Betreuungsproblem dazu, weil unsere Eltern und Schwiegereltern meist selbst berufstätig sind. Wie schön hätte ich es gefunden, meine Tochter nach einem Jahr Elternzeit bei meiner Mutter abliefern zu können, wie es meine Mutter tun konnte.

    Wir haben unseren ganz eigenen Weg in unserer Familie gefunden, und nehmen es, wie es kommt.
    Als ich schwanger wurde, musste ich mir eingestehen, dass Studieren und Kind nichts für mich war. Ich habe Hochachtung vor allen Frauen, die das schaffen! Mein Gehirn war gefühlt Matsch, als die zwei Linien auf dem Test rosa waren. In meinem Studentenjob habe ich für volle drei Jahre Elternzeit genommen.

    Schnell hab ich auch gemerkt, dass mir das alles nicht so wirklich passt mit den Erwartungen der Gesellschaft. Die Erwartungen an mich als Mutter, und meine Eigenen.
    Mein Mann und ich haben beschlossen, dass unsere eigenen Erwartungen schon hart genug sind.
    Deshalb hab ich mich taub gestellt, wenn meine Mutter mir von Ausbildung gepredigt hat. Jetzt ist Kinderzeit. Die Zeit zum Kinder genießen. Und ein Haus haben wir gekauft. Ein sehr kleines. Uns egal, dass alle anderen große Neubauten hinstellen. Dafür haben wir Raten, die billiger als Mieten sind. Und räumen nicht so lange auf (;-) ) und haben niedrige Nebenkosten. Und können es uns leisten, dass ich nach dem zweiten Kind wieder studieren kann und mein Mann Elternzeit macht.

    Und vor allem nehmen wir uns richtig viel finanziellen Druck.
    Wenn unsere Kinder ausgeflogen sind, leben wir auch nicht in einem viel zu großen Haus. Ein Problem, das gerade jedes Elternteil unserer geschiedenen Elternpaare haben. Meine Mutter hat ein 200qm Haus, genau wie Steifvater, Schwiegermutter und Schwiegervater eines hat. Und jeder jammert über zu viel Platz und steigende Nebenkosten. Aber niemand will sich verkleinern, das Haus verkaufen.

    Also, wir mögen Eigenbrötler sein, aber dafür haben wir weniger Druck :)

  2. Hallo, Du beschreibst es schon ganz richtig. Wir zwischen 30 und 40 wollen und sollen heute viel. Aber das finde ich auch nicht wirklich schlimm. Lebensziele hatte ich in jedem Alter und die zu erreichen erforderte auch schon immer Prioritäten. Da geht es mir jetzt nicht anders. Ich nutze meine Elternzeit, um wenigstens in der ersten Babyzeit etwas Zeitdruck herauszunehmen, steige aber nach spätestens einem Jahr beruflich wieder ein, um mir das Leben in dem Punkt dann nicht schwer zu machen. Ich finde es nicht schlimm, Beruf und Familie zu vereinbaren. Mir geht es gut damit. Zu Hause wäre ich unzufrieden und daher empfinde ich diese Doppelbelastung nicht als solche. Wohl auch deshalb, weil mein Mann gleichermaßen mithilft. Ich wünschte nur, die Berufstätigkeit der Mütter wäre in Deutschland genauso selbstverständlich angesehen wie zB in Skandinavien. Dann wäre es im Büro und mit den Kitaplätzen, mit qualifizierten Erziehern und jeglicher anderer Unterstützung für Familien leichter. Was mich stört ist, dass man die Elternschaft bei uns im Beruf nicht spüren darf. Bei Freunden in Schweden ist es hingegen so selbstverständlich, dass der Papa auch als Manager kein Meeting nach 17.00 Uhr hat. Sonst würde er als unorganisiert und unsozial gelten. Ich denke, wenn das Kinderhaben leichter und gesellschaftlich besser unterstützt wäre, dann wäre die Rush Hour keine mehr….die Skandinavier machen es uns schon einige Jahrzehnte länger vor….

    Lieben Gruß

  3. Dauerstress habe ich nicht, aber auch nur, weil ich mich nach einem halben Jahr Arbeit dazu durchgerungen habe, doch noch bei meinem Kind zu Hause zu bleiben, auch wenn es bald schon vier wird… Egal, was andere dazu sagen. Der Schritt fiel mir nicht leicht, denn ich habe das Gefühl, dass von einem etwas anderes erwartet wird, aber ich beteue diese Entscheidung nicht. Jetzt muss ich es nur noch schaffen, etwas weniger im Internet herum zu surfen ;

  4. Obwohl ich keine Kinder habe und erst in Kürze in den Zeitraum starte, der von den Soziologen als ‚Rushour des Lebens‘ bezeichnet wird, kann ich dir doch nur zustimmen. Mein Studium, die Auslandsaufenthalten, nebenbei arbeiten, danach einen richtigen Job finden (von unbefristeten Veträgen ganz zu schweigen…) und dabei am besten noch junge 20 sein, das klappt einfach nicht. Oft bereue ich mein Studium deswegen, auf der anderen Seite ist es eine tolle und lehrreiche Zeit gewesen, die mich geprägt hat.
    Beim Arzt bekam ich neulich zu hören, dass ich mir das mit den Kindern mal langsam überlegen sollte… die Uhr tickt! Und da war er wieder dieser Gedanke, den du auch ansprichst: Bin ich eigentlich schon erwachsen und was bedeutet das? Es ist erfrischend zu lesen, dass man auch mit Kindern die gesellschaftlichen Verpflichtungen ausblenden und den Mittelfinger zeigen kann ;-) Ganz ehrlich: unsere Gesellschaft ist dermaßen egoistisch, dass dieses Verhalten die einzige Lösung ist. Oder ist diese Gesellschaft nur deswegen so und müssten wir uns dann nicht fragen, warum wir uns gegenseitig so einen Stress machen, wenn wir doch alle nur stressfreier Leben wollen?

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